Vor ein paar Jah­ren ging ich öfter mit einem Freund und einer Freun­din in der Köl­ner Alt­stadt weg. Wobei weg­ge­hen häu­fig bedeu­te­te, dass wir uns am Kiosk mit ein, zwei Geträn­ken und je einer Tüte Pis­ta­zi­en ver­sorg­ten, uns auf eine Bank am Rhein setz­ten und Schif­fe beob­ach­te­ten. Dabei phi­lo­so­phier­ten wir ger­ne und viel, außer­dem hat­te ich öfter extre­men Klugschiss.

Eines Abends sind wir vor der Rhein­sit­zung noch in das Sion-Brauhaus Rich­tung Alter Markt gegan­gen. Eine üble Tou­ris­ten­ab­zock­bu­de, aber lag halt auf dem Weg und für zwei, drei Kölsch bot es sich an. Das Brau­haus war voll, wie üblich, an einem Vie­rer­tisch ent­deck­ten wir jedoch noch drei unbe­setz­te Plätze.

Ent­schul­di­gung, sind die Plät­ze noch frei?“, erkun­dig­ten wir uns.

Aber sicher, setzt euch“, ent­geg­ne­te es in gebro­che­nem Deutsch.

Wir vier kamen ins Gespräch. Der Tou­rist ent­pupp­te sich als Gast eines köl­schen Box­stalls, der zu einem Pro­be­trai­ning in der Stadt war. Aus Arme­ni­en kom­mend woll­te er ger­ne sein Profiboxer-Glück in Deutsch­land suchen. Ungläu­big war­fen wir uns Bli­cke zu. Zwar hat­te er durch­aus eine Boxer­s­ta­tur, aller­dings zeig­te sein Gesicht kei­ner­lei Bles­su­ren, kei­ne Blu­men­kohl­oh­ren, kei­nen Nasen­bein­bruch, nichts. Nun, wenn er wirk­lich so gut war, wie er behaup­te­te, dann war das ja irgend­wie auch plau­si­bel. Wild ges­ti­ku­lie­rend erzähl­te er von sei­nen Kämp­fen, wie er sich in Arme­ni­en im Wort­sin­ne durch­ge­schla­gen hat und von sei­nem Trai­ner den Kon­takt in Deutsch­land erhielt.

Wann ist denn das Pro­be­trai­ning?“, frag­te ich ihn.

Mor­gen Früh“, ant­wor­te­te der Bald-Profiboxer.

Und da trinkst du jetzt hier noch Unmen­gen Bier?“

Ach, das ist nicht schlimm, ist nur ein Probetraining.“

Möch­test du da nicht einen guten und fit­ten Ein­druck hinterlassen?“

Wer­de ich.“

Er kam uns leicht ver­peilt vor. Viel­leicht muss­te das so sein, wenn man stän­dig Schlä­ge an den Kopf bekommt. Even­tu­ell lag’s auch am Kölsch. Jeden­falls erweck­te er nicht unbe­dingt den Ein­druck, er wäre tat­säch­lich Boxer, als wäre er auf dem Sprung zur RTL-Abendveranstaltung mit Millionenbörse.

Wir rede­ten noch ein wenig, bis irgend­wann mein Freund eine nahe­lie­gen­de Fra­ge stell­te: „Wie heißt du eigentlich?“

Kars­ten Speck.“

Stil­le.

Kars­ten Speck?“

Ja.“

Nicht wirk­lich, oder?“

Nein, das ist mein Ringname.“

Dein Ring­na­me?“

Ja.“

Wie bist du denn dar­auf gekommen?“

Den hat mir mein Mana­ger gegeben.“

Dein Mana­ger?“

Ja.“

Du bist dir sicher, dass er dir den Namen Kars­ten Speck emp­foh­len hat?“

Ja.“

Weißt du, wer Kars­ten Speck ist?“

Ja.“

Ach?“

Ja. Ich bin das.“

Nein, ich mei­ne, in Wirklichkeit.“

Wie in Wirklichkeit?“

Na, Kars­ten Speck ist ein Show­mas­ter, ziem­lich berühmt in Deutschland.“

Nein.“

Doch.“

Ich bin Kars­ten Speck.“

Mag sein. Aber ehr­lich, ich glau­be, du wur­dest von dei­nem Mana­ger ziem­lich schlecht beraten.“

Meinst du?“

Ja.“

Ich dach­te, das wäre so ein Name wie Arthur Abra­ham. Ein­fach nur so.“

Ich fürch­te nicht.“

Sicht­lich ver­wirrt beeil­te sich Kars­ten Speck, zu zah­len und ver­ließ wort­los das Brau­haus. Wir wünsch­ten ihm noch viel Erfolg beim Pro­be­trai­ning, aller­dings glau­be ich, wir haben dabei gelacht.

Ich weiß bis heu­te nicht, ob er ziem­lich ver­arscht wur­de oder wir. Ich stu­dier­te in den nächs­ten Mona­ten etwas auf­merk­sa­mer die Sport­nach­rich­ten, aber von einem Kars­ten Speck war dort nie die Rede. Viel­leicht ist er beim Pro­be­trai­ning durch­ge­fal­len. Viel­leicht durf­te er sich einen ande­ren Namen aus­su­chen. Viel­leicht war er in Wirk­lich­keit gar kein Boxer. Aber zumin­dest hat­ten wir an die­sem Abend viel zu bere­den, auf der Bank am Rhein.

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