Als ich 2008 in New York war, ver­brach­te ich die meis­te Zeit mit einem Mann aus Bould­er, Colo­ra­do. Er war sehr begeis­tert von sei­ner Hei­mat­stadt und zeig­te mir vie­le Fotos der schnu­cke­li­gen Fuß­gän­ger­zo­ne, sei­nem schnu­cke­li­gen Haus und der schnu­cke­li­gen Aus­sicht, die man in Bould­er, Colo­ra­do, auf die Rocky Moun­ta­ins genie­ßen kann. Er dräng­te mich, ihn zu besu­chen, soll­te ich mal in der Nähe sein, und ver­sprach mir, den schnu­cke­li­gen Ort bei die­ser Gele­gen­heit noch ein­mal in echt vorzustellen.

Was den Mann aus Bould­er, Colo­ra­do, außer­dem aus­zeich­ne­te, war sein Hang zur Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei, sein Glau­be, der Drudge Report wäre eine seriö­se Nach­rich­ten­quel­le, und sei­ne chro­ni­sche Über­mü­dung, die aus sei­nen Geschäf­ten mit Euro­pä­ern wie mir her­rühr­te. Sie führ­te dazu, dass er ein­mal am Steu­er ein­schlief und wir fast im Stra­ßen­gra­ben lan­de­ten. Ich glau­be, in den drei Tagen, die wir zusam­men ver­brach­ten, schlief er nur auf dem Flug von New York nach Atlan­ta. Er hielt sich vor allem damit wach, die Kli­ma­an­la­ge des Miet­wa­gens auf tiefs­te Tem­pe­ra­tu­ren zu stel­len und sich öfter in Drugs­to­res mit Auf­putsch­pil­len einzudecken.

Mein Bild von Bould­er, Colo­ra­do, war bis­lang aus­schließ­lich von die­ser Begeg­nung geprägt. Und die­ses Bild ver­mit­tel­te mir, dass die­se Stadt nicht gut zum Geschäf­te­ma­chen ist. —Wobei, das stimmt nicht ganz. Irgend­wo habe ich schon ein­mal gehört, dass die dor­ti­ge Uni­ver­si­tät nicht die schlech­tes­te ist. Ein Drit­tel der Ein­woh­ner sind Stu­die­ren­de. Das prägt so einen Ort natür­lich. Nur ist Bould­er, Colo­ra­do, nicht attrak­tiv genug, um die jun­gen Men­schen zu hal­ten. Sie gehen ins nahe gele­ge­ne Den­ver, die Haupt­stadt von Colo­ra­do, oder noch wei­ter weg, um dort ihre gut aus­ge­bil­de­te Arbeits­kraft anzubieten.

Ello star­te­te in die­sem Bould­er, Colo­ra­do. Es ist viel­leicht kein Zufall, dass ein Netz­werk, das es zum ers­ten Mal seit lan­ger Zeit als ernst­haf­ter Facebook-Herausforderer gese­hen wird, nicht aus der Gegend um San Fran­cis­co, nicht aus dem Sili­con Val­ley kommt, son­dern aus einer Stu­den­ten­stadt mit einer Public-Ivy-Uni. Und viel­leicht ist es kein Zufall, dass man bei Ello ein sehr opti­mis­ti­sches, viel­leicht auch unrea­lis­ti­sches Geschäfts­mo­dell hat. Ein Netz­werk, das in durch­wach­ten Näch­ten reift, das droht auch mal, von der Fahr­bahn abzugleiten.

Gut mög­lich, dass ein neu­es Invest­ment, ein neu­er Venture-Capital-Geber die Ello-Macher dazu bewegt, in eine Gegend zu zie­hen, wo man bes­se­re Mit­ar­bei­ter bekommt. Den­noch wird die­ser stu­den­ti­sche Geist, den man in einer Stadt wie Bould­er, Colo­ra­do, erfährt, womög­lich den Unter­schied machen.

(Zuerst natür­lich auf Ello ver­öf­fent­licht.)

Vorheriger ArtikelThe Week in Review, 39/2014
Nächster Artikel9. Spieltag: Das läuft wohl unter Konsolidierung

4 Kommentare

  1. Ich hab’s dann auch noch mal auf 1ppm gele­sen :) Ob ello tat­säch­lich zum FB-Herausforderer wird, bleibt – opti­mis­tisch gespro­chen – abzu­war­ten. Der Weg dort­hin ist in jedem Fall lang. ello muss sich auf die­sem Weg wei­ter­ent­wi­ckeln und gleich­zei­tig sei­nen jet­zi­gen Charme und Cha­rak­ter nicht (ganz) ver­lie­ren. Das wird nicht einfach.

Kommentarfunktion ist geschlossen.