Ich war fast zehn Jahre alt, als meine Eltern und ich nach Kroatien fuhren, um dort Urlaub zu machen. Wie schon im Jahr zuvor hatten wir das Auto bis unter das Dach beladen: Kleidung, Handtücher, Kosmetika, noch mehr Kleidung, mein Walkman, meine Hefte, meine Bücher. Neben mir auf der Rücksitzbank thronte eine Kühlbox voller belegter Brote, Pfirsiche und Pflaumen, und in der Luft lag die Hoffnung, dass vielleicht alles wieder gut werden könnte.
Und so fuhren wir durch die Nacht, Österreich und Slowenien, und als ich gar nicht mehr damit gerechnet hatte, tauchte plötzlich das Meer vor uns auf. Wir fuhren die Küste entlang und ich sog die Ortsnamen auf: Rijeka, Bakar, Kraljevica, Crikvenica – und immer wieder die Insel Krk, bei der ich mich nicht entscheiden konnte, ob die fehlenden Vokale, die harten Ks oder die erstaunliche Kürze nun faszinierender war. Die Sonne brannte, und ich versuchte mir vorzustellen, wie schwer es für die trockene Vegetation sein musste, tagein, tagaus auf dieses herrlich nasse Meer zu blicken, das so verlockend vor sich hin schimmerte.
Im Gegensatz zur Vegetation würde ich mich jedoch schon bald in die Fluten stürzen dürfen, und der Gedanke daran machte mich immer unruhiger, immer vorfreudiger. Eine unendliche halbe Stunde später kamen wir in Selce an und bezogen unser Zimmer in einem kleinen Gästehaus in Strandnähe. Die Gastgeberin begrüßte uns mit einer Herzlichkeit, die mir in dieser Form noch völlig neu war, und obwohl ich sie kaum verstand, fühlte ich mich sicher und geborgen in ihrem Haus.
Von da an hörte ich jeden Morgen: »Was will die Kleine? Waffeln? Toastbrot? Pfannkuchen? Etwas Deftiges?« Ich durfte essen, was ich wollte, und anstelle des kritischen Räusperns, das ich sonst gewohnt war, traf mich der strahlende Blick einer Frau, die sich durch eine Mehlwolke hindurch freute, dass es mir so gut schmeckte. Die Tage verbrachten wir meist am Strand: Mein Vater mit deutscher Zeitung unter dem Mietsonnenschirm, meine Mutter brutzelnd in der Sonne, und ich wild tobend im Meer. Am Abend spielten wir Minigolf, und wenn es schon dunkel war, fuhren wir Runde um Runde Kettenkarussell, während sich andere Urlauber im Klang von Alleinunterhaltermusik mehr oder weniger taktvoll über den unebenen Boden schoben.
Hin und wieder starteten wir das Auto und erkundeten das Landesinnere. Von der überhitzten Rücksitzbank aus bestaunte ich die karstigen Hänge, die trockenen Flächen, das raue Gestein, die gewundenen Straßen. Jemand hatte mit weißen Blöcken riesengroß »TITO« auf einen Berg geschrieben. »Was ist Tito, Mama?«
Je länger unser Aufenthalt dauerte, und je öfter wir uns vom Strand entfernten, desto mehr konnten wir spüren, dass etwas nicht stimmte. Die Menschen waren besorgt, sprachen von Veränderung, von Unruhen. Ein Mann, der mir eben noch ein Eis und meinem Vater Zigaretten verkauft hatte, sprach offen von Bürgerkrieg. Ein Anderer erwähnte nebenher, dass wir froh sein könnten, bald abzureisen – schon in Kürze wäre hier niemand mehr sicher.
Am Tag des Abschieds drückte unsere Gastgeberin meine Mutter mit Tränen in den Augen an sich und streichelte mir den Kopf. »Können wir nächstes Jahr wiederkommen?« – »Ich glaube nicht, meine Kleine.«
Nur wenige Tage darauf erreichte uns die Nachricht, erste Straßenblockaden seien errichtet worden. Im Jahr darauf brach der Kroatienkrieg aus, und die Berichte über Kämpfe und Kriegsverbrechen wollten einfach nicht zu den Bildern passen, die Kroatiens Landschaft und Menschen mir in Kopf und Herz gebrannt hatten. Bilder, die mir so wichtig waren, dass ich mich nie getraut habe, nachzusehen, was aus der Region, dem Strand und der Pension geworden ist.
Nachdem Johannes heute früh über den EU-Beitritt Kroatiens berichtete, fasste ich mir ein Herz und entnahm dem Internet, dass die Gegend um Selce von direkten Kampfhandlungen verschont wurde. Selbst die Straße, auf der das Foto oben entstand, hat sich kaum verändert. Nur ob diese wunderbare, warme Frau noch immer in ihrem Haus lebt und ihren Gästen frisches Frühstück zaubert – das kann mir das Internet nicht verraten. Vielleicht werde ich es nie erfahren.
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Hin fahren.
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Schöne Geschichte. In Selce waren wir auch, ich weiß nur nicht mehr, in welchem Jahr. War aber definitiv vor dem Krieg. Vielleicht sind wir uns ja unwissentlich schon damals über den Weg gelaufen. ;)
Das wäre ja … Das muss sich doch irgendwie eruieren lassen! ;)
Entzückend! Und so schick, Mademoiselle!
Dieser Moment, in dem man das erste Mal beim Runterfahren das Meer sieht, war bei uns immer ein ganz besonderer. Mein Vater kündigte schon vorher an: „Kinderlein, gleich wird man das Meer sehen“, und wir waren jedesmal gespannt wie die Gummiringerln, ob es denn noch da ist. Nach der Ankunft war es Sitte, das Wasser zu kosten, ob es denn noch salzig sei. Ich mache das heute noch so.
Bei mir waren es ein paar Jahre zwischen dem letzten Familienurlaub und der Kriegsnachricht. Da bist du ja doch ein ganzes Stück jünger als ich, war mir bislang gar nicht so bewusst.
Es ist auch immer so erhebend, nach langer Zeit das Meer zu sehen. Es läuft sich ja so vieles ab mit der Zeit, das Meer aber nie. (Hach!)
[...] Montag. Mein Amt als Blogsitter im 1ppm angetreten. Mit Google Maps einen längst verdrängten Ort besucht und mich an Kroatien erinnert. [...]
Da wir als Kinder oft Kroatien besucht haben, zusammen mit unseren Eltern, fühlten wir uns da immer wie zu Hause, besonders am Kvarner. Wir haben einen guten Teil der Küste besichtigt, als auch einige Inseln in Dalmatien. Jedoch gibt es noch so viele versteckte Orte. Vor kurzem haben wir eine Seite gefunden Ferienwohnung Kroatien http://www.ferienwohnungkroatien.com, wo wir viele tolle Infos über die Orte, über die wir noch nie etwas gehört haben, erfahren. Man denkt, es ist ein kleines Land, dass man in paar Wochen besichtigen kann, doch es ist nocht so. Immer wieder entdecken wir neue Orte, die einen Besuch wert sind. Wir verbringen nicht gerne den Urlaub zwei Mal auf dem selben Ort, so dass uns dies auch passt, neue und interessante Destinationen zu entdecken.
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