(cc) Manu­el Platt­ner, „Game Boy“, CC-Lizenz (BY 2.0), aus www​.piqs​.de

Aber man­che schnel­ler. Ich bin ja jetzt in einem Alter, in dem der Kör­per brü­chig wird, in dem man statt wil­de Club­näch­te zu erle­ben Pärchen-Spieleabende zuhau­se ver­an­stal­tet und lei­der zu oft genau weiß, wann man das letz­te Bier trin­ken sollte.

Den­noch, dar­auf lege ich sogar Wert, möch­te ich mich wenigs­tens gedank­lich jung hal­ten. Dazu gehört, nicht reflex­haft alles zu ver­teu­feln, was „die Jun­gen“ heu­te hören, machen und den­ken, wie es so vie­le in mei­nem Alter machen. Nein, die Musik in mei­ner Jugend war bestimmt nicht bes­ser, immer­hin waren es die Neunziger.

Es gibt da einen Text, der so oder so ähn­lich seit vie­len Mona­ten die Run­de auf Face­book macht und auf die­ser Kreis­bahn schon wie­der in mei­ner Time­line gelan­det ist. Ich has­se die­sen Text, denn er drückt alles aus, was ich am Kon­ser­va­tis­mus so has­se. Die­ses stu­re, am Alten fest­hal­ten­de, ohne dem Neu­en auch nur einen Hauch Beach­tung zu schen­ken. Frü­her war alles bes­ser -- am Arsch.

Ich wur­de in den 80er Jah­ren gebo­ren, wuchs in den 90er Jah­ren auf. Wir sind die letz­te Gene­ra­ti­on, die auf der Stras­se gespielt hat,

Das kommt von den glei­chen Leu­ten, die sich beschwe­ren, wenn mal wie­der Kin­der lus­ti­ge Krei­de­zeich­nun­gen auf dem Geh­weg hin­ter­las­sen haben.

die Ers­te, die Video-Spiele gespielt hat

Bezweif­le ich. Ich habe schon in den Acht­zi­gern auf dem Com­pu­ter mei­nes Onkels Pac­man und Win­ter­games gespielt. Ich gehe stark davon aus, dass die Gene­ra­ti­on, die in den Sieb­zi­gern gebo­ren wur­de, eine ähn­li­che Frei­zeit­be­schäf­ti­gung hatte.

und wir sind die Letz­ten, die Songs aus dem Radio auf Kas­set­ten aufnahmen,

Ja, ein Glück! So ein Schwach­sinn, das hat mich damals schon tie­risch genervt. Die Lie­der waren immer durch ande­re über­blen­det, es kamen nie die dran, die man eigent­lich auf­neh­men woll­te und wenn doch, dann ging die Kas­set­te zuver­läs­sig inner­halb von zwei Wochen kaputt. Wie toll ist das heu­te, ein­fach auf You­Tube zu gehen und sich sei­nen Lieb­lings­song wie­der und wie­der anhö­ren zu kön­nen, ohne Qua­li­täts­ver­lust und in genau der Play­list, die ich möchte!?

wir sind die Pio­nie­re der Walkman-Zeit.

Sie­he Kassetten-Schwachsinn. Mann bin ich froh, dass Musik heut­zu­ta­ge auf Chips gespei­chert wird!

Wir haben gelernt, wie man den Video­re­kor­der bedient,

Klas­se! Applaus! Auf die Tas­te mit dem roten Kreis drü­cken. Rocket science!

spiel­ten mit Ata­ri, Super Nin­ten­do und Game Boy.

Und heu­te spie­len die Kin­der und Jugend­li­chen Play­sta­ti­on, Xbox, Wii, DS. Und wei­ter? Die Sys­te­me sind viel aus­ge­reif­ter, schö­ner, bes­ser, schnel­ler. Erin­nert ihr euch, dass man bei Super Mario nicht ein­mal ein Spiel spei­chern konn­te? Man muss­te, woll­te man es durch­spie­len, sich ein­fach mal ein paar Stun­den in eine Ecke set­zen. (Wie war das noch ein­mal mit dem Spie­len auf der Straße?)

Wir sind die Gene­ra­ti­on der Thun­der Cats, Power Ran­gers, Nin­ja Turt­les, Transformers.

Wie trau­rig.

Wir leb­ten ohne Handy,

Wie ging das eigent­lich? Schrecklich.

fuh­ren mit drei Per­so­nen auf einem Fahr­rad kilo­me­ter­weit weil Mami uns nicht durch die Gegend chauffierte.

Wir hol­ten uns zahl­lo­se Schürf­wun­den, schlu­gen uns die Zäh­ne aus und bra­chen uns die Kno­chen. Und trotz der Rade­lei sind wir die ers­te adi­pö­se Gene­ra­ti­on. Viel­leicht hat­te uns Mami ja doch ganz lieb. Zu lieb.

Wir hat­ten kei­ne 99 Fern­seh­sen­der, Flach­bild­schir­me, Sur­round Sound, MP3, iPod, Face­book oder Twit­ter ... aber den­noch hat­ten wir eine tol­le Zeit!

(Schreibt jemand, der das auf Face­book gepos­tet hat.) Wisst ihr, mein Vater hat­te nicht ein­mal einen Kas­set­ten­re­kor­der. Wenn er Musik hören woll­te, nahm er sich eine Hand­voll Klein­geld, ging ins nächs­te Tanz­ca­fé und bedien­te die Juke­box. Glaubs­te nicht: Er hat­te den­noch eine tol­le Zeit.

Pos­te das in dei­nen Sta­tus wenn Du auch ein glück­li­ches Kind der 80er bist

Es ist natür­lich der Sinn der Sache, ein Gemein­schafts­ge­fühl zu schaf­fen, wenn man der­ar­ti­ge Tex­te schreibt, die auch noch von „pos­te das in dei­nen Sta­tus, wenn du auch ...“ gekrönt wer­den. Klar ist alles irgend­wie rich­tig, es ist ja auch kein Geheim­nis, dass wir damals kei­ne Han­dys hat­ten. Aber dar­aus schluss­zu­fol­gern, dass wir die bes­se­re Gene­ra­ti­on sind, dass das, was nach uns kam und kommt, nicht so toll ist, wie wir, ist schlicht dumm.

Es ist der ers­te Weg zum ver­bohr­ten Spie­ßer, zum CDU-Wähler, zum Typ, der über die Fuß­ball spie­len­den Kin­der im Gara­gen­hof meckert. Es ist der Beginn des Anschluss­ver­lusts, des Ver­har­rens auf Gewohntem.

Ich will nicht alt wer­den, wenigs­tens nicht im Kopf. War­um soll­te ich also mei­ne Jugend ver­klä­ren? Sie war nicht bes­ser als die der heu­ti­gen Jugend. Nur anders. Das ein­zu­ge­ste­hen erfor­dert aber, zuzu­ge­ben, dass man nicht bes­ser ist als die­se gan­zen Rap­mu­sik hören­den, zuge­pierc­ten Kif­fer, die von wah­rer Lie­be unter Vam­pi­ren träu­men wäh­rend sie ihr Han­dy als Mini-Ghettoblaster in der U-Bahn missbrauchen.

Einen Vor­teil hat man doch jen­seits der 30: Man kann sich ein objek­ti­ves Urteil erlauben.

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5 Kommentare

  1. Der Text hat zusätz­lich zu sei­nem Kon­ser­va­tis­mus auch noch ein zwei­tes Problem:

    Bis 1990 gab es zwei »Jugend­kul­tu­ren«.

    • Guter Ein­wand! Du wirst lachen, aber der Stein des Ansto­ßes kam die­ses Mal tat­säch­lich von einem Ossi. ;-)

  2. Kann man mal drü­ber nach­den­ken. Guter Text. Dass sich dahin­ter wer­ten­de Gedan­ken ver­ber­gen kön­nen, die ins­ge­heim in man­chen schlum­mern, kann gut sein. Den­noch habe ich nicht das Gefühl, dass sich die Viel­zahl älte­rer Men­schen (Men­schen um die 30 J.) für was bes­se­res hal­ten. Ich glau­be, es geht nur um die gute alte Zeit, an die man sich ger­ne zurück erin­nert. Mir geht es zumin­dest so!

    • Anmer­kung: Und „gute alte Zeit“ bedeu­tet nicht, dass die heu­ti­ge schlecht ist :-)

    • Weh­ret den Anfän­gen! Mehr will ich gar nicht bewir­ken. Es fängt mit einem „weißt du noch?“ an, es endet viel­leicht aber in einem „frü­her war alles bes­ser“. Und das muss doch nicht!

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