Aber manche schneller. Ich bin ja jetzt in einem Alter, in dem der Körper brüchig wird, in dem man statt wilde Clubnächte zu erleben Pärchen-Spieleabende zuhause veranstaltet und leider zu oft genau weiß, wann man das letzte Bier trinken sollte.
Dennoch, darauf lege ich sogar Wert, möchte ich mich wenigstens gedanklich jung halten. Dazu gehört, nicht reflexhaft alles zu verteufeln, was „die Jungen“ heute hören, machen und denken, wie es so viele in meinem Alter machen. Nein, die Musik in meiner Jugend war bestimmt nicht besser, immerhin waren es die Neunziger.
Es gibt da einen Text, der so oder so ähnlich seit vielen Monaten die Runde auf Facebook macht und auf dieser Kreisbahn schon wieder in meiner Timeline gelandet ist. Ich hasse diesen Text, denn er drückt alles aus, was ich am Konservatismus so hasse. Dieses sture, am Alten festhaltende, ohne dem Neuen auch nur einen Hauch Beachtung zu schenken. Früher war alles besser -- am Arsch.
Ich wurde in den 80er Jahren geboren, wuchs in den 90er Jahren auf. Wir sind die letzte Generation, die auf der Strasse gespielt hat,
Das kommt von den gleichen Leuten, die sich beschweren, wenn mal wieder Kinder lustige Kreidezeichnungen auf dem Gehweg hinterlassen haben.
die Erste, die Video-Spiele gespielt hat
Bezweifle ich. Ich habe schon in den Achtzigern auf dem Computer meines Onkels Pacman und Wintergames gespielt. Ich gehe stark davon aus, dass die Generation, die in den Siebzigern geboren wurde, eine ähnliche Freizeitbeschäftigung hatte.
und wir sind die Letzten, die Songs aus dem Radio auf Kassetten aufnahmen,
Ja, ein Glück! So ein Schwachsinn, das hat mich damals schon tierisch genervt. Die Lieder waren immer durch andere überblendet, es kamen nie die dran, die man eigentlich aufnehmen wollte und wenn doch, dann ging die Kassette zuverlässig innerhalb von zwei Wochen kaputt. Wie toll ist das heute, einfach auf YouTube zu gehen und sich seinen Lieblingssong wieder und wieder anhören zu können, ohne Qualitätsverlust und in genau der Playlist, die ich möchte!?
wir sind die Pioniere der Walkman-Zeit.
Siehe Kassetten-Schwachsinn. Mann bin ich froh, dass Musik heutzutage auf Chips gespeichert wird!
Wir haben gelernt, wie man den Videorekorder bedient,
Klasse! Applaus! Auf die Taste mit dem roten Kreis drücken. Rocket science!
spielten mit Atari, Super Nintendo und Game Boy.
Und heute spielen die Kinder und Jugendlichen Playstation, Xbox, Wii, DS. Und weiter? Die Systeme sind viel ausgereifter, schöner, besser, schneller. Erinnert ihr euch, dass man bei Super Mario nicht einmal ein Spiel speichern konnte? Man musste, wollte man es durchspielen, sich einfach mal ein paar Stunden in eine Ecke setzen. (Wie war das noch einmal mit dem Spielen auf der Straße?)
Wir sind die Generation der Thunder Cats, Power Rangers, Ninja Turtles, Transformers.
Wie traurig.
Wir lebten ohne Handy,
Wie ging das eigentlich? Schrecklich.
fuhren mit drei Personen auf einem Fahrrad kilometerweit weil Mami uns nicht durch die Gegend chauffierte.
Wir holten uns zahllose Schürfwunden, schlugen uns die Zähne aus und brachen uns die Knochen. Und trotz der Radelei sind wir die erste adipöse Generation. Vielleicht hatte uns Mami ja doch ganz lieb. Zu lieb.
Wir hatten keine 99 Fernsehsender, Flachbildschirme, Surround Sound, MP3, iPod, Facebook oder Twitter ... aber dennoch hatten wir eine tolle Zeit!
(Schreibt jemand, der das auf Facebook gepostet hat.) Wisst ihr, mein Vater hatte nicht einmal einen Kassettenrekorder. Wenn er Musik hören wollte, nahm er sich eine Handvoll Kleingeld, ging ins nächste Tanzcafé und bediente die Jukebox. Glaubste nicht: Er hatte dennoch eine tolle Zeit.
Poste das in deinen Status wenn Du auch ein glückliches Kind der 80er bist
Es ist natürlich der Sinn der Sache, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, wenn man derartige Texte schreibt, die auch noch von „poste das in deinen Status, wenn du auch ...“ gekrönt werden. Klar ist alles irgendwie richtig, es ist ja auch kein Geheimnis, dass wir damals keine Handys hatten. Aber daraus schlusszufolgern, dass wir die bessere Generation sind, dass das, was nach uns kam und kommt, nicht so toll ist, wie wir, ist schlicht dumm.
Es ist der erste Weg zum verbohrten Spießer, zum CDU-Wähler, zum Typ, der über die Fußball spielenden Kinder im Garagenhof meckert. Es ist der Beginn des Anschlussverlusts, des Verharrens auf Gewohntem.
Ich will nicht alt werden, wenigstens nicht im Kopf. Warum sollte ich also meine Jugend verklären? Sie war nicht besser als die der heutigen Jugend. Nur anders. Das einzugestehen erfordert aber, zuzugeben, dass man nicht besser ist als diese ganzen Rapmusik hörenden, zugepiercten Kiffer, die von wahrer Liebe unter Vampiren träumen während sie ihr Handy als Mini-Ghettoblaster in der U-Bahn missbrauchen.
Einen Vorteil hat man doch jenseits der 30: Man kann sich ein objektives Urteil erlauben.
Der Text hat zusätzlich zu seinem Konservatismus auch noch ein zweites Problem:
Bis 1990 gab es zwei »Jugendkulturen«.
Guter Einwand! Du wirst lachen, aber der Stein des Anstoßes kam dieses Mal tatsächlich von einem Ossi. ;-)
Kann man mal drüber nachdenken. Guter Text. Dass sich dahinter wertende Gedanken verbergen können, die insgeheim in manchen schlummern, kann gut sein. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass sich die Vielzahl älterer Menschen (Menschen um die 30 J.) für was besseres halten. Ich glaube, es geht nur um die gute alte Zeit, an die man sich gerne zurück erinnert. Mir geht es zumindest so!
Anmerkung: Und „gute alte Zeit“ bedeutet nicht, dass die heutige schlecht ist :-)
Wehret den Anfängen! Mehr will ich gar nicht bewirken. Es fängt mit einem „weißt du noch?“ an, es endet vielleicht aber in einem „früher war alles besser“. Und das muss doch nicht!
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