Quotenmeter ist anscheinend ein Medienmagazin, das ernst genommen werden will. Zumindest deutet die gesamte Aufmachung darauf hin, auch weil sie mich inhaltlich und vom Aufbau her stark an DWDL erinnert.
Warum mir Quotenmeter bisher eher selten über den Weg gelaufen ist, bekomme ich gerade sehr deutlich zu sehen. In einem widerlichen, sich an ProSieben anbiedernden Artikel wird die gestrige Auftaktsendung der neuesten Popstars-Staffel bearbeitet.
Es trieft dabei vor Unsinn und Fehlern, die Redakteurin Antje Wessels eingebaut hat.
Beispiele:
An (Detlef D! Soosts) Seite nehmen in dieser Staffel keine wirklichen Musikgrößen Platz, sondern ganz bodenständig ehemalige Zöglinge des Juryvorsitzenden. Die ehemaligen «Popstars»-Kandidaten (…) unterstützen ihren ehemaligen Mentor bei der Suche nach neuen, hoffnungsvollen Talenten.
Bodenständig. Sicher. Wobei es einen anderen, unterschwelligen Humor hat, den bodenständigen Popstars-Absolventen den Status einer Musikgröße abzusprechen.
(…) wenngleich man sagen muss, dass die Castingshow bei der Juryauswahl stets ein glücklicheres Händchen bewies als die Kölner Konkurrenz.
Ein glückliches Händchen ist es nicht, wenn man einfach seine eigene, arbeitslose Brut nimmt und neben Über-Choreograph D. Soost setzt. Es ist vielmehr blanke Not, unterstelle ich, die die Produzenten zu dieser Maßnahme greifen haben lassen.
Bei Popstars wurde in dieser Staffel ein neues Punktesystem einführt. Jedes der vier Jurymitglieder kann zwischen null und drei Punkten für einen Kandidaten vergeben. Erreicht dieser mindestens acht Punkte, kommt er eine Runde weiter. Anja Wessels findet das gut.
Dieses Prinzip stellt nicht nur die Relevanz aller Juryteile in den Vordergrund bringt eindeutigere Klarheit als vage, emotionale Entscheidungen. (sic!)
In Wirklichkeit wurde das System in der gestrigen Folge mehrfach angewendet, um die Kandidaten in emotionale Extremsituationen zu bringen. In mehreren Fällen wurden einmal vergebene Punkte nachträglich erhöht, um einen Kandidaten über die 7-Punkte-Schwelle zu heben, nachdem er oder sie bereits in Tränen aufgelöst die bisher bestehende Negativentscheidung zu fassen versuchte. Es waren billige, absehbare und gezielt auf diese Effekte gerichtete Maßnahmen, die mit dieser ach so gerechten Punkteverteilung bewirkt werden sollten.
Quotenmeter schreibt weiter:
Leider hat «Popstars» 2.0 bei seinem neuen Anstrich vergessen, auf die altbewährte Methode der Tränendrüsenmassage zurückzugreifen.
Das stimmt nicht. Im Gegenteil. Aber das steht auch im Artikel. Im nächsten Satz.
Zwar wird in der zehnten Staffel auf emotionale Einspieler verzichtet, die Frage nach irgendeinem traurigen Schicksalsschlag in der Vergangenheit muss aber nach wie vor erlaubt sein.
Nicht zu vergessen natürlich die von „Deutschland sucht den Superstar“ abgekupferten Soundeffekte. Eigentlich wartete ich nur noch auf den Fickfrosch (ein Tier, das sogar die „Welt“ als geschmacklos deklarierte).
Was mich aber wirklich auf die Palme gebracht hat, waren die folgenden Sätze:
Auf dem schmalen Grad zwischen Zurschaustellung und wahren Gefühlsausbrüchen wandelt auch der Umgang mit den Kandidaten (…). Hier verfährt ProSieben geschickt und unterteilt die typischen Casting-Nerds in zwei Kategorien. Während sie die der selbstbewussten Sorte vor die Jury schicken, wo sie sich ein hartes aber nicht entwürdigendes Urteil abholen können …
Inwieweit es nicht entwürdigend ist, vor einem Millionenpublikum zum Heulen gebracht zu werden und gesagt zu bekommen, dass man untalentiert sei, ist mal dahingestellt.
…, belässt man es bei den sensibleren Kandidaten dabei, Ausschnitte aus ihrer Vorstellung unkommentiert zu zeigen. Zwar bleibt die Frage, ob auch das sein muss. Da man jedoch davon ausgehen kann, dass die Kandidaten der Veröffentlichung ihrer Auftritte zugestimmt haben, ist ein derartiger Umgang mit den weniger talentierten Sängerinnen und Sängern absolut legitim – und in der Castingshowlandschaft vorbildlich.
Es ist in keinster Weise vorbildlich, Menschen vorzuführen. Ob mit oder ohne Kommentierung. Ob mit oder ohne Einverständnis. Genau diese ekelhafte Legitimierung wird von den Verfechtern der Entwürdigungsshows aber immer wieder vorgebracht. Die Kandidaten hätten ja zugestimmt. Inwiefern ein verblendeter 16-Jähriger oder eine geistig zurückgebliebene 19-Jährige tatsächlich die Folgen ihres Handelns absehen können, wird geflissentlich ausgeblendet. Es ist vielleicht gesetzestreu, was die Produktionsfirmen machen, aber moralisch ist es nicht zu ertragen.
Die Quotenmeter-Berichterstattung unterstützt dieses Gebaren für Unterhaltungszwecke ohne einen Funken Reflexion. Zum Glück verrät Antje Wessels zum Schluss, worum es in ihrem tendenziösen Bericht wirklich geht:
Mit kleinen Änderungen und dem neuen Gewand wäre der Show ein Erfolg zu wünschen.
Ich wünsche dieser Show und allen anderen dieser Art das genaue Gegenteil. Mit Sahnehäubchen und Kirsche obendrauf, nämlich der Strafverfolgung der Produzenten. Denn die Würde des Menschen ist unantastbar, auch mit dessen Einwilligung.
Update 14:48 Uhr: Kleine Textkorrektur im vorletzten Absatz.