Letzte Woche erzählte ich, wie es dazu kam, dass ich 30 bis 40 Zigaretten pro Tag rauchte. Ich war schwer süchtig. In der Silvesternacht 2001/2002, als der Euro gesetzliches Zahlungsmittel wurde, habe ich meine ersten vier Euro aus dem Starterkit dafür verwendet, mir eine neue Schachtel zu ziehen. Die letzten Markstücke hatte ich kurz vorher in einem anderen Automaten versenkt, dessen Schubladen eingefroren waren, der sich aber auch standhaft weigerte, mir das Geld wieder rauszurücken. In meiner Panik, nichts mehr zu rauchen zu haben, griff ich zum Starterkit, obwohl ich eigentlich fest vorhatte, es für meine Enkel aufzuheben.
Wenn das Geld mal wieder knapp wurde, musste ich selbst drehen und wenn das Geld noch knapper wurde, ist halt das Essen ein wenig kleiner ausgefallen. Hauptsache, genug Rauchware war im Haus. Morgens galt der erste Griff nach dem Ausschalten des Weckers zur Schachtel neben dem Bett, abends war es die letzte Tat vor dem Einschlafen. Dazwischen wurde im Halbstundenrhythmus der Nikotinspiegel aufrecht gehalten.
Mir wurde mit zunehmenden Alter klar, dass ich einen dunklen Pfad beschritten hatte. Schon mit 24 Jahren dachte ich das erste Mal darüber nach, ob es eine Option wäre, mit dem Rauchen aufzuhören. Es war aber kein konkreter Plan, eher so eine allgemeine Idee, eine Vorstellung, die weit in der Zukunft lag, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Realität werden musste. Es mussten sich erste exogene Parameter in meinem Leben ändern, um diese Möglichkeit einer strengeren Prüfung zu unterziehen.
Wenn mich heute jemand fragt, wie ich es geschafft habe, mit dem Rauchen aufzuhören, sage ich immer, ich hätte einfach aufgehört. Von heute auf morgen. Das stimmt zwar im Prinzip, allerdings verschweige ich dabei, dass das schon mein zweiter Anlauf war. Bis jetzt, in diesem feierlichen Augenblick, habe ich nie zugegeben, dass auch ich eine Proberunde absolvieren musste. Der Stolz, Sie wissen schon.
Der Versuch war aber auch zum Scheitern verurteilt. Aus einer sonntäglichen Laune heraus beschloss ich nach dem Frühstück, einfach so aufzuhören. Ich schaffte es nur bis zum Abend, weil ich viele Anfängerfehler begangen hatte. Weder waren die Aschenbecher sicher verstaut, noch die Feuerzeuge weggepackt, noch hatte ich wenigstens die Zigaretten versteckt. Ich sah das alles den ganzen Nachmittag, während ich tatenlos auf dem Sofa lag, hatte keinerlei Ablenkung oder Alternativprogramm und irgendwann war es einfach nicht mehr auszuhalten. Keiner wusste Bescheid, ich hatte kein Gesicht zu verlieren, also konnte ich problemlos einfach da weitermachen, wo ich aufgehört hatte.
Erst Weihnachten 2007 klappte es beim zweiten Versuch. Ich war ja grundlegend bereit, aufzuhören, dennoch mussten erst zwei externe Faktoren aufeinanderfallen, um mich auf Trab zu bringen. Zum einen war seinerzeit in Diskussion, in Nordrhein-Westfalen ab Januar das Rauchen in öffentlichen Gebäuden, also auch in Kneipen, komplett zu verbieten. (Glücklicherweise hatte ich die Diskussion nicht genau verfolgt, sonst hätte ich vielleicht gewusst, dass das Rauchen erstens nicht komplett untersagt wurde und zweitens erst ab Juli.) Zum anderen war da die vierstündige Zugfahrt von der familiären Weihnachtsfeier zurück nach Hause. Die Bahn hatte ein paar Monate davor ein komplettes Rauchverbot in allen Zügen eingeführt. Vor diesem Hintergrund traf ich die dann doch recht spontane Entscheidung, aufzuhören.
Einigermaßen ausgenüchtert stieg ich am Kölner Hauptbahnhof aus. Dass ich nur noch eine Zigarette in der Schachtel hatte, bekräftigte noch meinen Entschluss. Statt also wie gewöhnlich zuerst nach einer Zugfahrt das gelbe Raucherquadrat aufzusuchen, schmiss ich die Schachtel in den nächsten Mülleimer. Kaum zuhause angekommen, entfernte ich alle Aschenbecher, und zwar so gründlich, dass ich sie erst bei meinem Auszug wiederfand. Und schließlich, das war der wichtigste Schritt, teilte ich allen mit, die es wissen wollten oder auch nicht, dass ich aufgehört habe. Dieser soziale Druck war ungeheuer wichtig.
Es hat geklappt, nach fast 14 Jahren als Raucher war ich plötzlich Nichtraucher. Ich will nicht verheimlichen, dass die ersten Tage sehr komisch waren. Ich hatte noch Urlaub, ich konnte mich ablenken. Ich substituierte ein wenig zu viel mit Süßigkeiten, das war aber nur ein temporäres Problem. Ich war ein wenig unkonzentriert und wusste nicht, wohin mit meiner Hand. Und ich schmachtete in einigen Situationen doch erheblich, ganz besonders, als ich einen Bericht über Helmut Schmidt las. Aber das ging alles schnell vorüber.
Die nächste große Hürde war Silvester, als ich im angetrunkenen Zustand schon „Gib mir auch mal eine!“ formuliert hatte, mich dann glücklicherweise aber doch eines Besseren besann. Als ich dann aber auch noch die letzte Stufe erfolgreich erklommen hatte – den Alltag nach dem Urlaub, mit all seinen Gewohnheiten – war alles gut.
Das ist jetzt fünf Jahre her. Ich vermisse nichts. Ich bin bis heute nie wieder rückfällig geworden, wenngleich es ein paar wenige Situationen gab, in denen ich für einen Sekundenbruchteil dachte, die eine Kippe könne doch jetzt nicht schaden. Zum Glück wurde mir dann stets im nächsten Augenblick bewusst, dass es oft genau solche Begebenheiten sind, die das Nichtraucherdasein beenden. Aber vorsichtig werde ich immer sein müssen.
Fotos: (cc) Robert Marschelewski & Scoobay via photopin
[...] Im zweiten Teil erzähle ich, wie diese Raucherkarriere weiterging, wie ich es schaffte ... [...]
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