Mann in blauem Pullover der ein silbernes MacBook stehend in der Hand hält. Er steht neben einem Serverrack. Vom Computer führt ein Netzwerkkabel direkt an einen Server. Der Mann starrt konzentriert auf den Monitor.

Das Inter­net, wie wir es heu­te ken­nen, ist ein Ort der Wider­sprü­che. Einer­seits bie­tet es unend­li­che Mög­lich­kei­ten: Wis­sen, Ver­net­zung, Krea­ti­vi­tät und Frei­heit. Ande­rer­seits ist es zuneh­mend geprägt von Mono­po­len, Daten­hun­ger und einer erschre­cken­den Abhän­gig­keit von weni­gen Platt­for­men. Doch das war nicht immer so – und es muss auch nicht so blei­ben. In die­sem Bei­trag möch­te ich der Fra­ge nach­ge­hen, wie das Inter­net eigent­lich sein soll­te. Und zwar nicht aus der Per­spek­ti­ve der Tech-Giganten, son­dern aus der Sicht der­je­ni­gen, die es nut­zen: von uns allen.

Die Grundlagen: Offene Protokolle für ein freies Netz

Das Inter­net basiert auf offe­nen Pro­to­kol­len. HTTP, das Hyper­text Trans­fer Pro­to­col, ist das Fun­da­ment des World Wide Web. Es ermög­licht, dass wir Web­sites auf­ru­fen, Inhal­te tei­len und uns frei bewe­gen kön­nen. Ähn­lich ver­hält es sich mit SMTP, dem Simp­le Mail Trans­fer Pro­to­col, das den E-Mail-Verkehr regelt. Bei­de Pro­to­kol­le sind offen, stan­dar­di­siert und für alle zugäng­lich. Das bedeu­tet: Jede:r kann einen Ser­ver betrei­ben, eine Web­site hos­ten oder eine E-Mail-Adresse ein­rich­ten, ohne dabei auf die Erlaub­nis eines Kon­zerns ange­wie­sen zu sein.

Offe­ne Pro­to­kol­le sind die Basis für ein frei­es und gleich­be­rech­tig­tes Inter­net. Sie sor­gen dafür, dass nie­mand das Netz kon­trol­liert – und dass es kein „Eigen­tum“ gibt, das mono­po­li­siert wer­den kann. Doch in den letz­ten Jah­ren haben wir uns immer wei­ter von die­ser Idee entfernt.

Das Web vs. digitale Inhalte: Die Macht der Links

Was das World Wide Web von bloß digi­tal abruf­ba­ren Inhal­ten unter­schei­det, sind die Quer­ver­wei­se – die Links. Sie bil­de im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes das Netz. Durch Links kön­nen wir von einer Sei­te zur nächs­ten sprin­gen, uns infor­mie­ren, dis­ku­tie­ren und neue Per­spek­ti­ven ent­de­cken. Links sind die Grund­la­ge für eine dezen­tra­le Struk­tur, in der jede:r Teil des Gan­zen sein kann.

Prak­tisch bedeu­tet das: Jede:r hat die Mög­lich­keit, sich zu ver­öf­fent­li­chen und ein poten­ti­ell welt­wei­tes Publi­kum zu fin­den. Mit dem Auf­kom­men von Blogs in den frü­hen 2000-er Jah­ren wur­de dies noch ein­fa­cher. Platt­for­men wie Word­Press mach(t)en es mög­lich, ohne tech­ni­sches Vor­wis­sen eine eige­ne Web­site zu betrei­ben. Blogs waren nicht nur eine Mög­lich­keit, Inhal­te zu ver­öf­fent­li­chen, son­dern auch ein Raum für Feed­back und Dis­kus­sio­nen. Kom­men­tar­funk­tio­nen ermög­lich­ten eine mehr­sei­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on, die heu­te als Ursprung von Social Media gilt.

Die Abkehr vom freien Internet

Doch seit den frü­hen 2010-er Jah­ren hat sich vie­les ver­än­dert. Platt­for­men wie Face­book, Insta­gram und Twit­ter mach­ten es unglaub­lich ein­fach, mit ande­ren Men­schen in Kon­takt zu tre­ten, Reich­wei­te auf­zu­bau­en und Auf­merk­sam­keit zu gene­rie­ren. Der Preis dafür war hoch:

  • Ver­lust der Hoheit über die eige­nen Daten: Die Inhal­te, die wir auf die­sen Platt­for­men tei­len, gehö­ren nicht mehr uns. Die Platt­for­men kön­nen damit machen, was sie wol­len – und ver­die­nen Mil­li­ar­den daran.
  • Durch­leuch­tung der Nutzer:innen: Unse­re Daten wer­den gesam­melt, ana­ly­siert und an Wer­be­trei­ben­de ver­kauft. Das Ziel: geziel­tes Mar­ke­ting, das uns dazu bringt, mehr zu konsumieren.
  • Geschlos­se­ne Sys­te­me: Quer­ver­wei­se zu Zie­len außer­halb der Platt­form wer­den bestraft. Links füh­ren oft zu gerin­ge­rer Reich­wei­te oder sind gar nicht erst möglich.
  • Abhän­gig­keit: Wenn wir eine Platt­form ver­las­sen wol­len, kön­nen wir unse­re Daten oft nicht mit­neh­men. Unse­re Reich­wei­te, unse­re Kon­tak­te, unse­re Inhal­te – alles bleibt zurück.

Das Ergeb­nis ist ein Inter­net, das von weni­gen Kon­zer­nen domi­niert wird. Ein Inter­net, das nicht mehr frei und offen ist, son­dern kon­trol­liert und kommerzialisiert.

Wie das Web sein sollte: Freiheit, Offenheit und Vernetzung

Wie also soll­te das Inter­net sein? Die Ant­wort ist ein­fach: Es soll­te so sein, wie es ursprüng­lich gedacht war. Ein Ort der Frei­heit, der Offen­heit und der Ver­net­zung. Ein Ort, an dem wir die Hoheit über unse­re Daten haben und selbst ent­schei­den kön­nen, wie wir uns ver­net­zen und kommunizieren.

Kon­kret bedeu­tet das:

  1. Eige­ne Web­sites statt Platt­form­ab­hän­gig­keit: Wir soll­ten wie­der mehr auf eige­ne Web­sites set­zen. Eine eige­ne Web­site gibt uns die Kon­trol­le über unse­re Inhal­te und unse­re Daten. Sie ist unser digi­ta­les Zuhau­se – ein Ort, an dem wir uns aus­drü­cken kön­nen, ohne uns den Regeln einer Platt­form unter­wer­fen zu müssen.
  2. Ver­net­zung durch Links und Kom­men­ta­re: Das Web lebt von der Ver­net­zung. Indem wir uns unter­ein­an­der ver­lin­ken und in Kom­men­ta­ren aus­tau­schen, schaf­fen wir ein leben­di­ges, dezen­tra­les Netz.
  3. RSS als offe­nes Pro­to­koll: RSS (Real­ly Simp­le Syn­di­ca­ti­on) ist ein oft unter­schätz­tes Werk­zeug. Es ermög­licht, Inhal­te von Web­sites zu abon­nie­ren – ohne Algo­rith­men, ohne Track­ing, ohne Wer­bung. RSS ist ein Bei­spiel dafür, wie das Inter­net funk­tio­nie­ren kann: offen, trans­pa­rent und nutzer:innenorientiert.
  4. Acti­vi­ty­Pub und das Fedi­ver­se: Für das Social Web gibt es Acti­vi­ty­Pub, ein offe­nes Pro­to­koll, das hin­ter dem Fedi­ver­se steckt. Platt­for­men wie Mast­o­don (Micro­blog­ging) und Pixel­fed (Bil­der) zei­gen, wie Social Media ohne Mono­po­le funk­tio­nie­ren kann. Im Fedi­ver­se haben wir die Kon­trol­le über unse­re Daten und kön­nen uns frei zwi­schen ver­schie­de­nen Instan­zen bewegen.

Ein Appell: Seid das Internet!

Das Inter­net ist nicht das Eigen­tum von ein paar Tech-Giganten. Es gehört uns allen. Doch um es zurück­zu­er­obern, müs­sen wir aktiv wer­den. Über­lasst das Netz nicht den Kon­zer­nen da drau­ßen, son­dern seid das Internet!

  • Erstellt eige­ne Websites.
  • Nutzt offe­ne Pro­to­kol­le wie RSS und ActivityPub.
  • Ver­netzt euch unter­ein­an­der – durch Links, Kom­men­ta­re und gemein­sa­me Projekte.
  • Unter­stützt Platt­for­men, die auf Offen­heit und Frei­heit setzen.

Das Inter­net, wie es sein soll­te, ist kein uto­pi­scher Traum. Es ist eine Mög­lich­keit, die wir jeden Tag aufs Neue schaf­fen kön­nen. Packen wir es an!

Die­ser Bei­trag ist Teil der Blog­pa­ra­de #SoSoll­Web von Annet­te Schwindt. Schaut vor­bei und betei­ligt euch an der Diskussion!

BeitragsbildSammyayot254/Unsplash
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6 Kommentare

  1. Die per­fek­te Zusam­men­fas­sung, ich bin begeis­tert! Dan­ke für die­sen Bei­trag zu mei­ner Akti­on, den ich gleich wei­ter­sa­gen wer­de! Und Dan­ke, dass Du und bonn​.digi​tal zu denen gehört, die das Netz zu einem bes­se­ren Ort machen! #SoSoll­Web

  2. Super geschrie­ben und infor­ma­tiv. Jetzt bin ich wie­der bes­ser orientiert.
    Vie­len Dank, ich wer­de #Sosoll­web nach mei­nen Mög­lich­kei­ten unterstützen.
    Wie gut, dass ich eine eige­ne Web­site und einen Blog habe.
    Gemein­sam geht so viel!
    Bes­te Grü­ße aus dem Allgäu
    Margaretha

  3. Ich kann jeden Satz in Dei­nem Bei­trag zur unter­schrei­ben. Ich bin seit ein paar Wochen wie­der aktiv auf mei­nem Blogm nach vie­len Jah­ren in den „Social“ Medi­as. Und es fühlt sich sooo gut und rich­tig an, wie­der auf der eige­nen Platt­form zu schrei­ben und mich über Kom­men­ta­re zu freuen.

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