Das Internet, wie wir es heute kennen, ist ein Ort der Widersprüche. Einerseits bietet es unendliche Möglichkeiten: Wissen, Vernetzung, Kreativität und Freiheit. Andererseits ist es zunehmend geprägt von Monopolen, Datenhunger und einer erschreckenden Abhängigkeit von wenigen Plattformen. Doch das war nicht immer so – und es muss auch nicht so bleiben. In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, wie das Internet eigentlich sein sollte. Und zwar nicht aus der Perspektive der Tech-Giganten, sondern aus der Sicht derjenigen, die es nutzen: von uns allen.
Die Grundlagen: Offene Protokolle für ein freies Netz
Das Internet basiert auf offenen Protokollen. HTTP, das Hypertext Transfer Protocol, ist das Fundament des World Wide Web. Es ermöglicht, dass wir Websites aufrufen, Inhalte teilen und uns frei bewegen können. Ähnlich verhält es sich mit SMTP, dem Simple Mail Transfer Protocol, das den E-Mail-Verkehr regelt. Beide Protokolle sind offen, standardisiert und für alle zugänglich. Das bedeutet: Jede:r kann einen Server betreiben, eine Website hosten oder eine E-Mail-Adresse einrichten, ohne dabei auf die Erlaubnis eines Konzerns angewiesen zu sein.
Offene Protokolle sind die Basis für ein freies und gleichberechtigtes Internet. Sie sorgen dafür, dass niemand das Netz kontrolliert – und dass es kein „Eigentum“ gibt, das monopolisiert werden kann. Doch in den letzten Jahren haben wir uns immer weiter von dieser Idee entfernt.
Das Web vs. digitale Inhalte: Die Macht der Links
Was das World Wide Web von bloß digital abrufbaren Inhalten unterscheidet, sind die Querverweise – die Links. Sie bilde im wahrsten Sinne des Wortes das Netz. Durch Links können wir von einer Seite zur nächsten springen, uns informieren, diskutieren und neue Perspektiven entdecken. Links sind die Grundlage für eine dezentrale Struktur, in der jede:r Teil des Ganzen sein kann.
Praktisch bedeutet das: Jede:r hat die Möglichkeit, sich zu veröffentlichen und ein potentiell weltweites Publikum zu finden. Mit dem Aufkommen von Blogs in den frühen 2000-er Jahren wurde dies noch einfacher. Plattformen wie WordPress mach(t)en es möglich, ohne technisches Vorwissen eine eigene Website zu betreiben. Blogs waren nicht nur eine Möglichkeit, Inhalte zu veröffentlichen, sondern auch ein Raum für Feedback und Diskussionen. Kommentarfunktionen ermöglichten eine mehrseitige Kommunikation, die heute als Ursprung von Social Media gilt.
Die Abkehr vom freien Internet
Doch seit den frühen 2010-er Jahren hat sich vieles verändert. Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter machten es unglaublich einfach, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, Reichweite aufzubauen und Aufmerksamkeit zu generieren. Der Preis dafür war hoch:
- Verlust der Hoheit über die eigenen Daten: Die Inhalte, die wir auf diesen Plattformen teilen, gehören nicht mehr uns. Die Plattformen können damit machen, was sie wollen – und verdienen Milliarden daran.
- Durchleuchtung der Nutzer:innen: Unsere Daten werden gesammelt, analysiert und an Werbetreibende verkauft. Das Ziel: gezieltes Marketing, das uns dazu bringt, mehr zu konsumieren.
- Geschlossene Systeme: Querverweise zu Zielen außerhalb der Plattform werden bestraft. Links führen oft zu geringerer Reichweite oder sind gar nicht erst möglich.
- Abhängigkeit: Wenn wir eine Plattform verlassen wollen, können wir unsere Daten oft nicht mitnehmen. Unsere Reichweite, unsere Kontakte, unsere Inhalte – alles bleibt zurück.
Das Ergebnis ist ein Internet, das von wenigen Konzernen dominiert wird. Ein Internet, das nicht mehr frei und offen ist, sondern kontrolliert und kommerzialisiert.
Wie das Web sein sollte: Freiheit, Offenheit und Vernetzung
Wie also sollte das Internet sein? Die Antwort ist einfach: Es sollte so sein, wie es ursprünglich gedacht war. Ein Ort der Freiheit, der Offenheit und der Vernetzung. Ein Ort, an dem wir die Hoheit über unsere Daten haben und selbst entscheiden können, wie wir uns vernetzen und kommunizieren.
Konkret bedeutet das:
- Eigene Websites statt Plattformabhängigkeit: Wir sollten wieder mehr auf eigene Websites setzen. Eine eigene Website gibt uns die Kontrolle über unsere Inhalte und unsere Daten. Sie ist unser digitales Zuhause – ein Ort, an dem wir uns ausdrücken können, ohne uns den Regeln einer Plattform unterwerfen zu müssen.
- Vernetzung durch Links und Kommentare: Das Web lebt von der Vernetzung. Indem wir uns untereinander verlinken und in Kommentaren austauschen, schaffen wir ein lebendiges, dezentrales Netz.
- RSS als offenes Protokoll: RSS (Really Simple Syndication) ist ein oft unterschätztes Werkzeug. Es ermöglicht, Inhalte von Websites zu abonnieren – ohne Algorithmen, ohne Tracking, ohne Werbung. RSS ist ein Beispiel dafür, wie das Internet funktionieren kann: offen, transparent und nutzer:innenorientiert.
- ActivityPub und das Fediverse: Für das Social Web gibt es ActivityPub, ein offenes Protokoll, das hinter dem Fediverse steckt. Plattformen wie Mastodon (Microblogging) und Pixelfed (Bilder) zeigen, wie Social Media ohne Monopole funktionieren kann. Im Fediverse haben wir die Kontrolle über unsere Daten und können uns frei zwischen verschiedenen Instanzen bewegen.
Ein Appell: Seid das Internet!
Das Internet ist nicht das Eigentum von ein paar Tech-Giganten. Es gehört uns allen. Doch um es zurückzuerobern, müssen wir aktiv werden. Überlasst das Netz nicht den Konzernen da draußen, sondern seid das Internet!
- Erstellt eigene Websites.
- Nutzt offene Protokolle wie RSS und ActivityPub.
- Vernetzt euch untereinander – durch Links, Kommentare und gemeinsame Projekte.
- Unterstützt Plattformen, die auf Offenheit und Freiheit setzen.
Das Internet, wie es sein sollte, ist kein utopischer Traum. Es ist eine Möglichkeit, die wir jeden Tag aufs Neue schaffen können. Packen wir es an!
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade #SoSollWeb von Annette Schwindt. Schaut vorbei und beteiligt euch an der Diskussion!
Die perfekte Zusammenfassung, ich bin begeistert! Danke für diesen Beitrag zu meiner Aktion, den ich gleich weitersagen werde! Und Danke, dass Du und bonn.digital zu denen gehört, die das Netz zu einem besseren Ort machen! #SoSollWeb
❤️
Super geschrieben und informativ. Jetzt bin ich wieder besser orientiert.
Vielen Dank, ich werde #Sosollweb nach meinen Möglichkeiten unterstützen.
Wie gut, dass ich eine eigene Website und einen Blog habe.
Gemeinsam geht so viel!
Beste Grüße aus dem Allgäu
Margaretha
Wunderbar, wenn ich zu deiner Motivation beitragen konnte! 🙂
Ich kann jeden Satz in Deinem Beitrag zur unterschreiben. Ich bin seit ein paar Wochen wieder aktiv auf meinem Blogm nach vielen Jahren in den „Social“ Medias. Und es fühlt sich sooo gut und richtig an, wieder auf der eigenen Plattform zu schreiben und mich über Kommentare zu freuen.
Ich freue mich auch über deinen Kommentar! Wie schön, dass Blogs nun wieder entstaubt werden. 🙂