Als ich das erste Mal auf die Idee kam, zu rauchen, war ich 13 Jahre alt. Meine Eltern waren beide Raucher, das Konzept war mir daher nicht fremd, aber erst, als ich einen entfernt bekannten Schulkameraden rauchen sah, kam ich auf die Idee, es mal selbst zu versuchen. Es blieb bei der Idee. Zunächst.
Ein Jahr später hatte ich mich mit jemandem angefreundet, ein Jahr älter als ich, aber dennoch in der gleichen Jahrgangsstufe. Er rauchte und ich fand das interessant, denn ich wollte unbedingt so sein wie er: beliebt, gefürchtet, eben das, was man damals cool nannte. Ich gelangte zur Einsicht, dass man nicht cool sein konnte, ohne zu rauchen. Allerdings war ich selbst ja noch nicht so weit, deshalb musste ich es erst üben. An eine Schachtel Zigaretten zu kommen war 1994 kein Problem. Überall standen Automaten herum, sie zu bedienen hatte ich schon von Kindesbeinen an gelernt, als ich für die Eltern oder deren Freunde Nachschub holen sollte; wobei die Bedienung eines Zigarettenautomaten auch keine Raketenwissenschaft war: Vier Mark einwerfen, in Ein- oder Zweimarkstücken, gewünschte Schublade ziehen, tada. Harte Hunde ließen die Schublade dann offen stehen; ich nicht.
Meine erste Packung Fluppen war von West, vermutlich, weil die in meiner Umgebung immer alles vollplakatierten. Meine erste Zigarette steckte ich mir dann zuhause an. In meinem Zimmer, bei offenem Fenster. Ich paffte ein bisschen herum und wunderte mich, wie man das toll finden kann. Es schmeckte scheußlich, scharf, eklig, wie Zigaretten halt schmecken, wenn man sie zum ersten Mal raucht. Nichts für mich, beschloss ich, nach drei, vier Zügen machte ich sie aus und steckte die Packung irgendwo hin, wo man sie nicht finden sollte.
Einige Tage später nahm ich die Schachtel mit in den Wald, als ich mit unserem Hund spazieren ging. Eine Chance wollte ich den Glimmstängeln noch geben, irgendwas musste da doch dran sein! Nee, immer noch eklig, beschloss ich. Ich warf die angerauchte Zigarette in eine Pfütze und pfefferte die fast volle Schachtel in den Wald hinein.
Was folgte war der größte Fehler meiner Raucherkarriere. Ich dachte: So schade um das viele Geld, ich meine, hallo?, vier Mark! Vielleicht kann ich die Zigaretten ja jemandem schenken, dem Typen, den ich beeindrucken will vielleicht. Wobei, wie sieht das denn dann aus? Egal, viel zu schade, ich hol sie mir jetzt wieder. Mit diesen Gedanken kletterte ich ins Unterholz und schnappte mir die rot-weiße Schachtel und steckte sie in meine Jackentasche.
Ich probierte in den folgenden Wochen immer öfter, zu rauchen, schließlich musste das doch irgendwie gehen und Spaß machen. Nach einiger Zeit hatte ich immerhin genug geübt, um mich damit unter andere Menschen zu trauen. Es sah tatsächlich ziemlich realistisch aus, wenn ich mit aller Macht den im Mundraum befindlichen Rauch wieder durch den gespitzten Mund ausstieß. Selbstredend hatte ich aber keine Ahnung, dass man Zigaretten auch anders, nämlich auf Lunge rauchen kann. Das brachten mir erst Klassenkameraden bei, ganz klassisch nach dem Sportunterricht hinter der Turnhalle. „Hey, Johannes, das ist doch keine Lunge, die du da rauchst!“ „Was?“ „Hier, zieh mal an deiner Zigarette und sag dann: Huch, meine Mutter kommt!“ „Okay. Fffft, huch, meihusthusthusthusthust!“
Ich hustete ungefähr zwei Minuten lang, während sich die anderen Jungs einen Ast ablachten. Aber fortan war ich offizieller Raucherclub-Member, eine ganz neue Welt tat sich auf, neue Freunde, falsche Freunde, Anführer, Mitläufer, es war fantastisch für einen schüchternen Jungen, der sonst keine nennenswerten Eigenschaften hatte.
Es begann eine Raucherkarriere wie aus dem Bilderbuch. Anfangs hielt eine Schachtel noch länger als einen Monat. Aber mit der Zeit wurde es mehr und ich wurde unvorsichtiger. Immer häufiger rauchte ich in meinem Zimmer, manchmal hielt ich es nicht einmal mehr für nötig, das Fenster dabei zu öffnen. Mir kam dabei zugute, dass meine Eltern als Raucher meinen stinkenden Geruch nicht wahrnahmen oder, wenn doch, darauf schoben, dass ihr eigener Rauch in mein Zimmer gezogen wäre. Das war physikalisch fragwürdig, aber nun gut.
Als meine Mutter mich im Alter von 16 Jahren ohne weitere Hintergedanken und in Erwartung einer negativen Antwort fragte, ob ich da oben geraucht hätte, bejahte ich es. Mit 16 war es legal und ich war das Versteckspiel sowieso leid und cool war ich eh und überhaupt. Meine Eltern konnten gar nicht viel sagen, sie waren mir in dieser Hinsicht ein schlechtes Beispiel und – so zumindest meine Einschätzung – eher über ihr schlechtes Vorbild enttäuscht, als von meinem Geständnis.
Die neue Freiheit bewirkte Katastrophales. Als ich mit 24 das erste Mal in Erwägung zog, mit dem Rauchen aufzuhören, war ich schon bei 30 bis 40 Zigaretten pro Tag angelangt.
Fotos: (cc) Skley & pixelblume via photopin
Und ich dachte immer Du wärst so’n Vollblutgesundheitsfreak, schau mal einer an...
Herrje, so einen Eindruck hinterlasse ich? Das wollte ich nicht.
Soso, ja, und wie oft habe ich Dich im THW deswegen blöd angeredet ... ;-) ... sorry, aber ich dachte damals Raucher sind BÖSE und machen selbst was falsch; dass die geschickte Marketingmaschine der Tabakindustrie dahinter steckt, die Dich in ihre klebrigen Finger bekommen hatte, war mir so noch nicht bewusst. Aber jetzt! Also, sorry für’s Dissen. Ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht. Darf ich die vollständige Geschichte dann auch auf meinem Blog posten?
Hast du? Ich dachte immer, wir hätten uns gut verstanden. ;)
Danke, aber ich habe das gar nicht so empfunden.
Du darfst natürlich gerne auf die Geschichte hier verweisen. Vollständige Textübernahme nur gegen Bares. ;)
[...] Letzte Woche erzählte ich, wie es dazu kam, dass ich 30 bis 40 Zigaretten pro Tag rauchte. Ich war schwer süchtig. In der Silvesternacht 2001/2002, als der Euro gesetzliches Zahlungsmittel wurde, habe ich meine ersten vier Euro aus dem Starterkit dafür verwendet, mir eine neue Schachtel zu ziehen. Die letzten Markstücke hatte ich kurz vorher in einem anderen Automaten versenkt, dessen Schubladen eingefroren waren, der sich aber auch standhaft weigerte, mir das Geld wieder rauszurücken. In meiner Panik, nichts mehr zu rauchen zu haben, griff ich zum Starterkit, obwohl ich eigentlich fest vorhatte, es für meine Enkel aufzuheben. [...]
[...] gegenüber die Maske der Kabel-1-Sendung „Was bin ich?“. Damals war ich außerdem noch Raucher und folglich alle fünf Minuten ab und zu vor der Tür und bekam so Gelegenheit, [...]
Eine tolle Geschichte. Zu Beginn ekelt sich jeder vor der ersten Zigarette, findet sie ekelig und empfindet sie als „must not have“. neugierig wie wir sind und auch sparsam, wollen wir die erst erworbene Schachtel nicht wegwerfen und probieren es immer wieder, bis die Schachtel leer geraucht ist. Ganz alleine machen wir unsere ersten Raucherfahrungen und irgendwann finden wir den Rauch als etwas angenehmes und etwas was Stil hat. Haben wir einige auf lunge geraucht sind wir ganz angetan, wie man solch einen ekeligen Rauch tief einatmen können, aber wir tun es. Irgendwann wollen wir nicht mehr darauf verzichten und wir rauchen weiter.
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