Die Älteren werden sich erinnern: Ich bin einige Zeit nach meinem Zuzug ins Rheinische zum Karnevalisten geworden. Jedenfalls zur weichgespülten Version, für die Karneval im Wesentlichen bedeutet, sich ein möglichst praktisches Kostüm anzuziehen und Alkohol zu trinken. Warum das so toll ist, erschließt sich nur dem, der es mitgemacht hat. Früher™ war ich ja auch mal so ein Anti-Karnevalist, aber damals wusste ich es einfach noch nicht besser.
Ich gebe aber zu, zu Karneval muss man ein paar Dinge mitbringen, insbesondere eine sehr hohe Toleranzschwelle. Daran scheitern nämlich die meisten. Man muss
- viele Menschen ertragen,
- die alle rotzenvoll sind,
- und das nicht selten von Donnerstag bis Dienstag durchgängig,
- die alle voll lieb sind und sich total gerne haben,
- bei entsprechenden Situationen (kein Kölschnachschub etc.) allerdings auch gerne einmal eine etwas niedrigere Aggressivitätsschwelle besitzen
- und die alle verkleidet sind.
Dieses Jahr war ich wieder einigermaßen mit von der Partie, nachdem letztes Jahr aus gesundheitlichen Gründen quasi komplett ins Wasser gefallen ist. Da ich Donnerstag und Freitag arbeiten musste, stieg ich erst Freitagabend ins Geschehen ein und Sonntag wieder aus. Oder um es anders zu sagen: Ich war zwei Abende hintereinander weg und brauche jetzt ungefähr zwei Wochen, um mich davon wieder zu erholen.
Das erste Mal war ich dieses Jahr karnevalistisch auch in Bonn unterwegs. Und weil ich den Tag danach wieder wie gewohnt in Köln op jöck war, kann ich ihn riskieren: den großen Köln-Bonn-Vergleich zu Karneval.
Bonn
+ Mit dem Fahrrad erreichbar.
– Außerhalb der Innen- und Altstadt keine Möglichkeit, festzustellen, ob Karneval ist oder nicht, weil die Straßen wie üblich ab 19 Uhr leer sind.
+ Man findet in den meisten Etablissements um 22 Uhr problemlos Einlass.
– Das liegt daran, dass kaum was los ist.
– Es werden kaum Kölsche Tön gespielt.
– Stattdessen Schlager.
+ Alle Menschen sind nett und helfen sich auch getränketechnisch gegenseitig aus.
+ Die besten Gespräche führt man vor den Toiletten. Wenn man Glück hat, enden sie darin, dass man einen Schnaps ausgegeben bekommt. (Mh, Waldmeister.)
– Siehe Bild: So sah es direkt vor der Kneipe aus, in der wir bis etwa 2 Uhr Karneval feierten.
Köln
– Die Anfahrt ist ein wenig länger und man sollte sich mit der neuesten Version der DB-App ausstatten, um nach Hause zu kommen.
+ Schon in der Bahn in Richtung Karnevalshochburg (Kwartier Latäng) werden spontan Kölsche Tön improvisiert, inklusive Minikapelle.
– Es ist voll.
– Sehr voll.
+ Ganz viele nette Menschen!
– Man kommt um 22 Uhr nirgendwo mehr rein. Jedenfalls nicht, ohne länger anzustehen.
– Drinnen kann man nicht mehr umfallen.
+ Ganz viele nette Menschen!
– Man wird sogar als Mann begrapscht. (Geht wohl nur in Köln.)
+ Der Kölsch-Nachschub klappt gut (Ausnahmen bestätigen die Regel).
+ Die Straßen sind voller feierwütiger und friedlicher Karnevalisten.
+ Ganz viele Touristen.
+ Überall nur Kölsche Tön.
+ Es ist egal, wann du nach Hause gehst, es steppt überall noch der Bär.
Ergebnis
Bonn: 4 Pluspunkte, 5 Minuspunkte. Insgesamt –1 Punkt.
Köln: 8 Pluspunkte, 6 Minuspunkte. Insgesamt +2 Punkte.
Das kommt jetzt überraschend.