Was ich auf Face­book sehe, den News­feed, die Time­line oder wie auch immer du sie nen­nen möch­test, das bestimmt der Algo­rith­mus. Aus hun­der­ten Varia­blen ver­sucht er zu errech­nen, wel­che Bei­trä­ge mich beson­ders inter­es­sie­ren könn­ten. Face­book kann mich nicht fra­gen, was genau ich sehen möch­te, sie kön­nen nur mein Ver­hal­ten stu­die­ren: Wie lan­ge ich bei einem Bei­trag ver­wei­le, wie ich mit ihm inter­agie­re (like, tei­le, kom­men­tie­re), ob ich viel­leicht sogar auf das Pro­fil oder die Sei­te gehe, um mehr zu sehen. Und natür­lich spielt auch ein Rol­le, was mei­ne Fri­ends und Wesens­glei­che so machen.

Das heißt: Doch, ich kann dem Facebook-Algorithmus Feed­back geben. Zumin­dest nega­ti­ves. Ich kann Face­book sagen, dass ich bestimm­te Inhal­te nicht sehen möch­te. Das blaue Netz­werk hat sogar seit eini­gen Wochen eine neue Mög­lich­keit dafür geschaf­fen: Man kann Nut­zer, Grup­pen oder Sei­ten für 30 Tage stumm schal­ten. Und genau das habe ich in den letz­ten Wochen begonnen.

Lautes übertönt Leises

Es gibt da näm­lich einen tri­vi­al anmu­ten­den, aber doch wich­ti­gen Teu­fels­kreis bei Face­book. Lau­te Nut­zer oder Sei­ten, also sol­che, die viel pos­ten, die auf­fäl­li­ge Bei­trä­ge machen (weil sie tol­le Bil­der oder Vide­os ein­bin­den oder die­se fürch­ter­li­chen Hin­ter­grün­de ver­wen­den), die bekom­men auch mehr Auf­merk­sam­keit. Ob ich will oder nicht. Und die­se Auf­merk­sam­keit führt dazu, dass die „lau­ten“ Nut­zer immer mehr Platz in mei­nem News­feed erhal­ten. Ein Pro­zess, der sich ein­schleicht, den man erst gar nicht so mitbekommt.

Irgend­wann zwi­schen den Jah­ren fing es aber an, dass ich eine Mono­to­nie in mei­ner Time­line bemerk­te. Die immer glei­chen Nut­zer und Sei­ten mit den immer glei­chen Inhal­ten – es war genug, dass es mir auf­fiel. Und ich klick­te das ers­te Mal auf „30 Tage auf Snoo­ze schal­ten“ wie es in der deut­schen Über­set­zung heißt.

Ein Feldversuch mit interessanten Folgen

Ange­tan von ers­ten Erfol­gen pos­te­te ich voll­mun­dig, das jetzt ein­fach mal für alle zu machen:

https://​www​.face​book​.com/​j​o​t​t​e​m​m​/​p​o​s​t​s​/​1​0​1​5​5​5​0​4​3​3​8​8​5​4​102

Vor­weg: Das habe ich natür­lich nicht gemacht. Aber die unver­hoff­ten Reak­tio­nen bestärk­ten mich, das Expe­ri­ment zum einen als sol­ches zu begrei­fen und zum ande­ren es noch ein wenig wei­ter zu voll­zie­hen. Ich woll­te wis­sen, was pas­siert, wenn ich wirk­lich mal alles aus­blen­de, was mich nicht akut interessiert.

Die ers­te Fol­ge mei­nes Bei­trags war aber eine lus­ti­ge ande­re: Leu­te nah­men von mir Notiz, die mich schon lan­ge nicht mehr (oder noch nie?) in ihrem News­feed sahen:

Konstantin sagt, er nehme mich zum ersten Mal wahr. Sandra bestätigt, ihr würde es auch so gehen.

Aber auch sonst stell­te sich – nach nur zehn Tagen – der gewünsch­te Effekt ein. Von heu­te auf mor­gen sehe ich wie­der Bei­trä­ge von Fri­ends, die ich schon gar nicht mehr auf dem Schirm hat­te. Men­schen und – in einem sehr viel gerin­ge­ren Aus­maß – auch Sei­ten, die ich teils seit Mona­ten nicht mehr „gese­hen“ hat­te, ste­hen wir ganz oben im News­feed. Es ist eine gro­ße Bereicherung.

Der Algorithmus lebt vom Feedback

Es sind bis­her nur weni­ge Tage, aber ich mer­ke schon, wie viel mehr Spaß Face­book auf ein­mal wie­der macht. Ich bin sehr gespannt, was da noch pas­siert und ich wer­de wei­ter­hin ver­su­chen, mei­nen News­feed zu etwas zu machen, das mir Freu­de berei­tet. Dazu gehört auch immer mehr, dass ich Wer­bung aus­blen­de, die mich nicht anspricht (also fast alle).

Ich pre­di­ge es immer wie­der, bin aber trotz­dem bass erstaunt, wie sehr es stimmt: Der Algo­rith­mus ist nur so gut, wie du ihn machst. Je mehr Feed­back du gibst, des­to bes­ser kann er dir dienen.

Was passiert nach 30 Tagen?

Als nächs­tes bin ich gespannt, was pas­siert, wenn die 30-tägige Qua­ran­tä­ne abläuft. Wer­den die alten „Ner­ven­sä­gen“ wie­der die Ober­hand gewin­nen oder wer­den sie dau­er­haft einen Malus vom Algo­rith­mus zuge­wie­sen bekom­men? Ich wer­de berichten.

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3 Kommentare

  1. Ich muss­te dei­nen Bei­trag auf FB mehr­fach lesen. Hat­te zuerst nicht ver­stan­den, was es mit dem „Abschal­ten“ auf sich hat. Was du jetzt schreibst, hat­te ich vor snoo­ze in etwa vermutet. 

    Ich muss mal schau­en, wie ich damit umge­he. Twit­ters Ansatz ist lei­der auch kei­ne Lösung.

    VG A.

  2. Span­nen­de Sache, zumal ich über die­se „Snooze-Funktion“ auch gera­de gestol­pert bin. Wür­de ich auch gern machen (wenn ich nicht „bes­se­res“ zu tun hät­te...). ;) Habe näm­lich aus besag­ten Grün­den die Akti­vi­tä­ten auf mei­nem per­sön­li­chen FB-Account mit der Zeit immer mehr reduziert ...

    Grü­ße,
    Wolfgang

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