Auf dem Ortseingangsschild steht trotzig „Ort der Zukunft“. Dabei war sie schon besiegelt: Morschenich sollte verschwinden, dem Kohletagebau Hambach weichen. Den Bewohner:innen wurde einige Kilometer weiter ein neuer Ort angeboten, der Morschenich-Neu heißt. Und dann kam der Kohlestopp und die Proteste am Hambacher Forst. RWE verzichtete auf den Abriss von Morschenich-Alt.1
Zurück bleibt eine Geisterstadt, in der nur noch wenige Menschen ausharren. Es fahren noch Busse, zeitweise wurden auch mal Flüchtlinge in Altbauen untergebracht. Ansonsten ist der Ort ein Eldorado für Plündernde, was zahllose Aufbruchspuren, dicke Schlösser und verbretterte Fenster und Türen zeigen.
Morschenich-Alt soll tatsächlich ein Ort der Zukunft werden. Auf einem Feld vor dem Ortseingang steht bereits eine Solaranlagen-Farm. Mit der TU Darmstadt wurde ein Feldlabor für Pflanzenforschung geschaffen. Dennoch ist die Aufgabe enorm. Was macht man mit einem Ort, der eigentlich gar nicht mehr existiert, der zum größten Teil einem Energiekonzern gehört, der ihn gar nicht mehr braucht? Was macht es mit Menschen, die nach viel Kampf und Tränen umgezogen sind, nur um zu sehen, wie ihr altes Zuhause dem Vandalismus verfällt und nach und nach kaputt geht?
Ich kann nur empfehlen, sich diesen Ort und ähnliche Gemeinden in der Gegend anzusehen. Nicht nur der eigentliche Abbau der Braunkohle hinterlässt tiefe Narben. Auch die Ränder werden auf Generationen hin davon gezeichnet sein, dass wir ein paar Jahrzehnte lang darauf setzten, Pflanzen- und Torfreste zu verfeuern. Dass wir diese Narben heilen, ist Aufgabe von uns allen, denn wir haben alle davon profitiert.
(Der Rundgang fand am 6. Januar 2022 statt. Von diesem Tag stammen auch die Fotos.)
- Inzwischen wurde beschlossen, dass Morschenich-Neu in Zukunft Morschenich heißen wird und der ursprüngliche Ort zu Bürgewald umbenannt wird. ↩