von Daniel Kehlmann
„Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann ist ein vielschichtiger Roman über den berühmten, heute aber ziemlich vergessenen Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst, dessen Schicksal während der NS-Zeit beispielhaft für die Zerrissenheit zwischen Kunst und Macht steht.

Die Handlung setzt ein mit Pabsts Emigration nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und seinem vergeblichen Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen – doch seine künstlerische Visionen kollidieren mit den kommerziellen Interessen der amerikanischen Studios. Wieder in Europa, gerät Pabst unweigerlich in den Sog des NS-Systems und muss sich entscheiden zwischen persönlicher Integrität und Anpassung. Kehlmann blendet häufig zwischen Fakten und Fiktion, realen und erfundenen Figuren hin und her: Greta Garbo, Louise Brooks und weitere tauchen szenenhaft auf, während Personen wie Pabsts Sohn Jakob oder Kuno Krämer rein fiktional sind.
Kehlmann erzählt episodisch, in einem Mosaik aus wechselnden Perspektiven und Zeitebenen. Gerade diese Perspektivwechsel sind sehr präsent und sorgen für eine filmische Inszenierung, die aber auch gelegentlich zu einer gewissen Unübersichtlichkeit. Die psychologische Tiefe der Charaktere bleibt mitunter oberflächlich, als ob Kehlmann bewusst aufs große Gefühl verzichtet und lieber das Zeitalter von außen betrachtet. Der kunstvolle Stil ist ein Genuss, manchmal aber auch überambitioniert und redundant, sodass die packende Geschichte gelegentlich unterzugehen droht.
Wer Kehlmann bereits kennt und „Die Vermessung der Welt“ verschlungen hat, findet hier einige vertraute Motive wieder: Das Collagieren von historischen Details, die Mischung aus Fakten und erfindungsreicher Fiktion, die lakonische, oftmals effekthaschende Schreibweise und eine clevere Komposition, die an einen Filmschnitt erinnert. Die Geschichte um Pabst hätte, wie gesagt, auch ohne die ständigen Perspektivwechsel getragen, denn der Stoff an sich ist enorm spannend und öffnet einen Blick auf eine wichtige, bislang im deutschen Kulturbetrieb kaum beachtete Künstlerfigur.
Ein insgesamt starkes Buch, stilistisch ambitioniert, inhaltlich lehrreich und mit einem überraschenden Endspurt – aber vielleicht ein wenig zu sehr von der eigenen Form fasziniert.
Daniel Kehlmann: Lichtspiel. Rowohlt-Verlag 2025, 480 Seiten, ab 12,99 €.
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