Thomas Kunsch/Bertelsmann Stiftung, CC-BY-NC

Bei den der­zei­ti­gen Dis­kus­sio­nen über Frau­en­quo­ten muss­te ich immer wie­der leicht lachen. Das hat­te nichts damit zu tun, dass ich die eine oder ande­re Argu­men­ta­ti­ons­sei­te lächer­lich fin­de, son­dern dass ich in einer Bran­che arbei­te, in der tra­di­tio­nell sowie­so und in den letz­ten Jah­ren immer mehr Frau­en beschäf­tigt sind. Der Umgang mit jun­gen Frau­en, die schwan­ger wer­den, in Eltern­zeit gehen, danach Teil­zeit und/oder haupt­säch­lich von zuhau­se aus arbei­ten, ist mir sehr ver­traut und völ­lig nor­mal für mich; und ich kann nicht so recht nach­voll­zie­hen, war­um das für ein Unter­neh­men ein Pro­blem dar­stel­len könnte.

Die Bran­che, in der ich arbei­te, heißt Markt­for­schung und hat auf den ers­ten Blick nicht viel mit den typi­schen, weib­lich gepräg­ten Bran­chen zu tun. Markt­for­scher* rekru­tie­ren sich aber oft aus Psy­cho­lo­gen* und Sozio­lo­gen*, die schon an den Uni­vers­ti­tä­ten einen stark aus­ge­präg­ten weib­li­chen Anteil umfassen.

In dem Unter­neh­men, das seit eini­gen Tagen mein Arbeit­ge­ber ist, arbei­ten 60 Pro­zent Frau­en und 40 Pro­zent Män­ner. In mei­nem Team ist das Ver­hält­nis exakt gleich, es besteht aus drei Frau­en und zwei Män­nern, von denen einer ich bin. Die Lei­tung des Teams obliegt einer Frau.

Das war’s dann aber auch schon. Denn als ich, wie oben geschrie­ben, erst ein­mal lach­te, dann pas­sier­te das, weil ich nur mei­nen direk­ten beruf­li­chen All­tag vor Augen hat­te. Ich arbei­te schon seit über einem Jahr­zehnt sehr viel mit Frau­en zusam­men, im Team, als Kol­le­gin­nen und direk­te Vor­ge­setz­te. Wenn ich aber dar­über nach­den­ke, wie sich die höhe­ren Hier­ar­chie­stu­fen geschlecht­lich auf­tei­len, wer­de ich nach­denk­lich. Tat­säch­lich hat auch mein der­zei­ti­ger Arbeit­ge­ber, bei dem auf zwei Män­ner drei Frau­en kom­men, einen der­zeit drei­köp­fi­gen, rein männ­li­chen Vor­stand. Vom Auf­sichts­rat brau­che ich erst gar nicht zu spre­chen, oder? Auch alle mei­ne bis­he­ri­gen Arbeit­ge­ber waren auf der höchs­ten Manage­ment­ebe­ne stets aus­schließ­lich männ­lich besetzt.

Viel­leicht es daher tat­säch­lich Zeit, Unter­neh­men zu ihrem Glück zu zwin­gen. Ganz schlüs­sig bin ich noch nicht, ob das der Qua­li­tät bei­trägt, wenn Per­so­nen ein Unter­neh­men lei­ten, nur weil sie zur rich­ti­gen Zeit das rich­ti­ge Geschlecht hat­ten. Aber viel­leicht muss man das ein­fach mal ausprobieren.

BTW: Die Beschäf­tig­ten­si­tua­ti­on bei mei­nem Arbeit­ge­ber – wie gesagt, 60 Pro­zent Frau­en, 40 Pro­zent Män­ner – ergibt die para­do­xe Situa­ti­on, dass im sie­ben­köp­fi­gen Betriebs­rat vier Män­ner sit­zen. Das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz schreibt näm­lich vor, dass das Geschlecht in der Min­der­heit min­des­tens zum reprä­sen­ta­ti­ven Anteil im Betriebs­rat ver­tre­ten ist.

*) Geschlechts­neu­tra­le Schreib­wei­se beab­sich­tigt, aber man­gels sprach­li­cher Mög­lich­kei­ten nicht durchgeführt.

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