Ich lese zur­zeit das Buch „Aus dem Leben eines Tau­ge­nichts“ von Joseph von Eichen­dorff, haupt­säch­lich des­halb, weil es auf dem Nexus 7 schon als Appe­ti­zer mit­ge­lie­fert wur­de und ich zu faul war, von der Couch auf­zu­ste­hen, um den Kind­le oder ein papie­re­nes Device zu holen. Und weil ich so super-crazy drauf bin und sowie­so der Cools­te, lese ich nicht die Turn­beu­tel­ver­ges­ser­ver­si­on in latei­ni­scher Schrift, son­dern natür­lich das Ori­gi­nal in deut­scher Schrift, wir Ken­ner nen­nen sie Frak­tur.

Frak­tur ist an sich eine dem Latei­ni­schen sehr ähn­li­che, wenn­gleich auch unend­lich ver­schnör­kel­te Schrift. Wie bei latei­ni­schen Ver­sio­nen gibt es auch von der Frak­tur vie­le ver­schie­de­ne Schnit­te. In mei­nem Buch ist es ein beson­ders ver­schnör­kel­ter. Es gibt Buch­sta­ben, die sehen gleich aus, zum Bei­spiel das B und das L oder I und J, auch G und S las­sen sich nur schwer aus­ein­an­der­hal­ten, von den klei­nen m, n, u und i mal ganz zu schwei­gen, wo man eigent­lich nur noch Stri­che zäh­len und auf Sinn hof­fen kann. Den­noch kann man sich das Wort über den Kon­text der ande­ren Buch­sta­ben gut erar­bei­ten, man kommt da ziem­lich schnell rein, wenn man die ers­ten Hür­den über­wun­den hat.1

Das für das unge­üb­te Auge größ­te Hin­der­nis ist sicher­lich das klei­ne s. Das sieht näm­lich zu 95 Pro­zent aus wie ein klei­nes f. Nur wenn man ganz genau hin­sieht, ent­deckt man beim f den klei­nen Quer­strich. Das so genann­te lan­ge s (ſ) ist wohl das größ­te Hin­der­nis beim Lesen von Tex­ten in Fraktur.

Wer jetzt auf die ver­we­ge­ne Idee kommt, auch Frak­tur mal zu schrei­ben (I’m loo­king at you, Chris­si) soll­te aber noch etwas wis­sen. Das lan­ge s wird näm­lich nur am Anfang und inner­halb von Wör­tern ein­ge­setzt, nicht am Ende. Ein Wort, das auf s endet, endet auch mit einem s, wie wir es aus der latei­ni­schen Schrift kennen.

Moment, das war’s noch nicht! Das so genann­te Auslaut-s steht auch am Sil­ben­en­de, wenn also zum Bei­spiel ein Wort zusam­men­ge­setzt ist und der ers­te Wort­teil auf ein s endet, dann wird da eben­falls ein s geschrie­ben, kein ſ; also „Scha­dens­ma­nage­ment“ statt „Scha­denſ­ma­nage­ment“2 oder „Zin­sſoll“ statt „Zinſſoll“ – oder „inte­resſant“ statt „inte­reſſant“.

Es ist kom­pli­ziert, für­wahr. Aber das macht es ja so spannend.

Ach­so. Über den Inhalt des Buches wer­de ich mich bestimmt noch ein­mal sepa­rat auslassen.

  1. Und sich an Wör­ter wie „Muth“ oder „musi­ci­ren“ gewöhnt hat.
  2. Das Bei­spiel habe ich absicht­lich gewählt, weil wir ja alle wis­sen, dass im Ver­si­che­rungs­be­reich das Fugen-S aus Pro­duk­ti­vi­täts­grün­den ein­ge­spart wur­de.
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