Viele Menschen probieren derzeit aus, vegan zu leben. Ich habe damit ein Problem, obwohl ich nicht nur selbst vegetarisch lebe, sondern auch „echte“ Veganer kenne, die zum Beispiel zur Familie gehören, und es überhaupt ganz töfte finde, wenn möglichst wenig Tiere leiden müssen.
Aber es gibt da drei Ebenen im modernen, hippen Veganismus, die mir nicht gefallen.
- Es ist ein Trend. Die Entscheidung vieler Modeveganer beruht nicht auf der Überzeugung, etwas gegen Massentierhaltung, Tiertötung oder Hunger in der Welt zu tun, geschweige den etwas für den Umweltschutz. Sie wollen aus modischen Gründen sich selbst besser fühlen, „Grenzerfahrungen“ machen, bewusster leben, jadda-jadda, weil es alle tun und irgendwie ja auch ganz toll klingt und tadi-tada. Das ist deshalb falsch, weil ohne echt von der Idee überzeugt zu sein niemandem geholfen ist, nicht den Tieren, nicht der Umwelt, nicht anderen Menschen und langfristig auch nicht dem Teilzeitveganer selbst. Ein mit Mode begründeter Veganismus endet früher oder später. Eine kleine Delle im Tierkonsum interessiert die Welt nicht und verhilft auch nicht dem Einzelnen zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden.
- Modeveganer erzeugen stattdessen starke Reaktanz bei denen, die sich dieser Bewegung nicht anschließen möchten. Das hat zur Folge, dass diese umso mehr Fleisch essen, das Fleischessen regelrecht zelebrieren und eine ganz neue Fleischesserkultur bilden, die jeden Ansatz, die der Modeveganer verfolgt, ins Gegenteil verkehrt. Ich sage nur: Beef.
- Modeveganer sind ein furchtbares Vorbild. Die meisten von ihnen kehren früher oder später zum Tierkonsum zurück. Sie haben sich oft weder im Vorhinein mit den Folgen ihrer Entscheidung befasst, noch Ernährungsalternativen recherchiert oder wenigstens erfahrene Veganer konsultiert, noch hatten sie den Willen und die Disziplin, das Projekt auf unbestimmte Zeit durchzuziehen. Die Fall-back-Lösung „Dann esse ich halt wieder wie vorher“ ist stets zum Greifen nah und wird auch sofort wahrgenommen, wenn sich erste Probleme einstellen. Probleme im Sinne von: „Oha, auf dem Grillfest werde ich schräg angesehen.“ Menschen, die mit dem Gedanken spielen, langfristig vegan oder vegetarisch zu leben, sich aber ihrer Sache noch nicht sicher sind, bekommen durch Modeveganer den Eindruck, dass diese Lebensweise zum Scheitern verurteilt sei, sich der Aufwand nicht lohne, gar ungesund sei.
Aus diesen Gründen ist mir ein überzeugter Fleischesser mittelfristig lieber als ein Modeveganer. Wobei ich es grundsätzlich natürlich super finde, dass mit diesem Trend Dinge endlich einmal öffentlich diskutiert werden, die schon lange richtig, richtig falsch laufen (auch wenn ich deshalb nicht an Änderungen glaube, siehe Punkt 2). Und weil ich schon seit einiger Zeit nicht mehr der Einzige bin, für den „extra gekocht werden muss“.
(Diesen Beitrag habe ich schon vor einigen Wochen geschrieben und aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben. In der Zwischenzeit kamen die Diskussionen um den so genannten „Veggie Day“ und mein thematisch ähnlicher Beitrag dazwischen. Nur zur Einordnung.)
Foto: Thilo Hilberer CC-BY-ND via photopin
Teilweise teile ich Deine Bedenken. Etliche von denen, die Veganismus als Diät ansehen, werden irgendwann das Handtuch werfen und zur nächsten Diät wechseln. Dennoch glaube ich, dass immer mehr Menschen nach ihrer „Probezeit“ vegan bleiben. Denn wenn man sich mit dem Thema etwas ausführlicher beschäftigt, sieht man immer mehr Gründe, vegan zu bleiben. Bei mir war es der gesundheitliche Aspekt, der mich bewogen hat, endlich vom Vegetarier zum Veganer zu werden. Inzwischen sind es aber hauptsächlich ethische Gründe, weshalb ich dabei bleibe.
Ich finde es auch gut und richtig, wenn man aus anderen Gründen als Mode mit dem Vegansein beginnt. Gesundheit ist ein gutes Beispiel. Gute Gründe helfen, die Umgewöhnung zu „überstehen“. Gute Gründe helfen dabei, aus einer Umgewöhnung eine langfristige Gewohnheit zu etablieren. Mode ist kein guter Grund.
ACK – ausgenommen Punkt 2. Ich glaube, dass es für die starke Reaktanz völlig unerheblich ist, ob aus Hippness- oder Überzeugungsgründen vermehrt vegan gegessen wird. Die Abkehr von tierischen Nahrungsmitteln anderer wird so oder so als Angriff auf die eigene liebe Lebensweise verstanden, und der muss ganz schnappreflexhaft mit »Jetzt erst recht!« verteidigt werden. Simpler Trotzmechanismus, interessiert sich null für Hintergründe.
Das ist zwar prinzipiell korrekt. Ich meine nur, dass aufgrund des in letzter Zeit massiven Auftretens von Veganismus die Fleischessergemeinschaft stärker zusammengerückt ist. Vielleicht ist das aber auch nur eine subjektiv gefärbte Sichtweise.
Richtig. Ich beobachte in letzter Zeit auch öfter Panikreaktionen, wenn ich mir ein vegatarisches Gericht bestelle. Und dabei bin ich kein Vegetarier, sondern mag nur Fleisch und Milch nicht. Gerne würde ich den Effekt mal sachlich hinterfragen, aber das scheint ganz und gar undenkbar zu sein.
Kommentarfunktion ist geschlossen.