Gemüselaster

Vie­le Men­schen pro­bie­ren der­zeit aus, vegan zu leben. Ich habe damit ein Pro­blem, obwohl ich nicht nur selbst vege­ta­risch lebe, son­dern auch „ech­te“ Vega­ner ken­ne, die zum Bei­spiel zur Fami­lie gehö­ren, und es über­haupt ganz töf­te fin­de, wenn mög­lichst wenig Tie­re lei­den müssen.

Aber es gibt da drei Ebe­nen im moder­nen, hip­pen Vega­nis­mus, die mir nicht gefallen.

  1. Es ist ein Trend. Die Ent­schei­dung vie­ler Mode­ve­ga­ner beruht nicht auf der Über­zeu­gung, etwas gegen Mas­sen­tier­hal­tung, Tier­tö­tung oder Hun­ger in der Welt zu tun, geschwei­ge den etwas für den Umwelt­schutz. Sie wol­len aus modi­schen Grün­den sich selbst bes­ser füh­len, „Grenz­erfah­run­gen“ machen, bewuss­ter leben, jadda-jadda, weil es alle tun und irgend­wie ja auch ganz toll klingt und tadi-tada. Das ist des­halb falsch, weil ohne echt von der Idee über­zeugt zu sein nie­man­dem gehol­fen ist, nicht den Tie­ren, nicht der Umwelt, nicht ande­ren Men­schen und lang­fris­tig auch nicht dem Teil­zeit­ve­ga­ner selbst. Ein mit Mode begrün­de­ter Vega­nis­mus endet frü­her oder spä­ter. Eine klei­ne Del­le im Tier­kon­sum inter­es­siert die Welt nicht und ver­hilft auch nicht dem Ein­zel­nen zu mehr Gesund­heit und Wohlbefinden.
  2. Mode­ve­ga­ner erzeu­gen statt­des­sen star­ke Reak­tanz bei denen, die sich die­ser Bewe­gung nicht anschlie­ßen möch­ten. Das hat zur Fol­ge, dass die­se umso mehr Fleisch essen, das Fleisch­essen regel­recht zele­brie­ren und eine ganz neue Fleisch­esser­kul­tur bil­den, die jeden Ansatz, die der Mode­ve­ga­ner ver­folgt, ins Gegen­teil ver­kehrt. Ich sage nur: Beef.
  3. Mode­ve­ga­ner sind ein furcht­ba­res Vor­bild. Die meis­ten von ihnen keh­ren frü­her oder spä­ter zum Tier­kon­sum zurück. Sie haben sich oft weder im Vor­hin­ein mit den Fol­gen ihrer Ent­schei­dung befasst, noch Ernäh­rungs­al­ter­na­ti­ven recher­chiert oder wenigs­tens erfah­re­ne Vega­ner kon­sul­tiert, noch hat­ten sie den Wil­len und die Dis­zi­plin, das Pro­jekt auf unbe­stimm­te Zeit durch­zu­zie­hen. Die Fall-back-Lösung „Dann esse ich halt wie­der wie vor­her“ ist stets zum Grei­fen nah und wird auch sofort wahr­ge­nom­men, wenn sich ers­te Pro­ble­me ein­stel­len. Pro­ble­me im Sin­ne von: „Oha, auf dem Grill­fest wer­de ich schräg ange­se­hen.“ Men­schen, die mit dem Gedan­ken spie­len, lang­fris­tig vegan oder vege­ta­risch zu leben, sich aber ihrer Sache noch nicht sicher sind, bekom­men durch Mode­ve­ga­ner den Ein­druck, dass die­se Lebens­wei­se zum Schei­tern ver­ur­teilt sei, sich der Auf­wand nicht loh­ne, gar unge­sund sei.

Aus die­sen Grün­den ist mir ein über­zeug­ter Fleisch­esser mit­tel­fris­tig lie­ber als ein Mode­ve­ga­ner. Wobei ich es grund­sätz­lich natür­lich super fin­de, dass mit die­sem Trend Din­ge end­lich ein­mal öffent­lich dis­ku­tiert wer­den, die schon lan­ge rich­tig, rich­tig falsch lau­fen (auch wenn ich des­halb nicht an Ände­run­gen glau­be, sie­he Punkt 2). Und weil ich schon seit eini­ger Zeit nicht mehr der Ein­zi­ge bin, für den „extra gekocht wer­den muss“.

(Die­sen Bei­trag habe ich schon vor eini­gen Wochen geschrie­ben und aus ver­schie­de­nen Grün­den immer wie­der ver­scho­ben. In der Zwi­schen­zeit kamen die Dis­kus­sio­nen um den so genann­ten „Veggie Day“ und mein the­ma­tisch ähn­li­cher Bei­trag dazwi­schen. Nur zur Einordnung.)

Foto: Thi­lo Hil­be­rer CC-BY-ND via pho­to­pin

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5 Kommentare

  1. Teil­wei­se tei­le ich Dei­ne Beden­ken. Etli­che von denen, die Vega­nis­mus als Diät anse­hen, wer­den irgend­wann das Hand­tuch wer­fen und zur nächs­ten Diät wech­seln. Den­noch glau­be ich, dass immer mehr Men­schen nach ihrer „Pro­be­zeit“ vegan blei­ben. Denn wenn man sich mit dem The­ma etwas aus­führ­li­cher beschäf­tigt, sieht man immer mehr Grün­de, vegan zu blei­ben. Bei mir war es der gesund­heit­li­che Aspekt, der mich bewo­gen hat, end­lich vom Vege­ta­ri­er zum Vega­ner zu wer­den. Inzwi­schen sind es aber haupt­säch­lich ethi­sche Grün­de, wes­halb ich dabei bleibe.

    • Ich fin­de es auch gut und rich­tig, wenn man aus ande­ren Grün­den als Mode mit dem Vegan­sein beginnt. Gesund­heit ist ein gutes Bei­spiel. Gute Grün­de hel­fen, die Umge­wöh­nung zu „über­ste­hen“. Gute Grün­de hel­fen dabei, aus einer Umge­wöh­nung eine lang­fris­ti­ge Gewohn­heit zu eta­blie­ren. Mode ist kein guter Grund.

  2. ACK – aus­ge­nom­men Punkt 2. Ich glau­be, dass es für die star­ke Reak­tanz völ­lig uner­heb­lich ist, ob aus Hippness- oder Über­zeu­gungs­grün­den ver­mehrt vegan geges­sen wird. Die Abkehr von tie­ri­schen Nah­rungs­mit­teln ande­rer wird so oder so als Angriff auf die eige­ne lie­be Lebens­wei­se ver­stan­den, und der muss ganz schnapp­re­flex­haft mit »Jetzt erst recht!« ver­tei­digt wer­den. Simp­ler Trotz­me­cha­nis­mus, inter­es­siert sich null für Hintergründe.

    • Das ist zwar prin­zi­pi­ell kor­rekt. Ich mei­ne nur, dass auf­grund des in letz­ter Zeit mas­si­ven Auf­tre­tens von Vega­nis­mus die Fleisch­esser­ge­mein­schaft stär­ker zusam­men­ge­rückt ist. Viel­leicht ist das aber auch nur eine sub­jek­tiv gefärb­te Sichtweise.

      • Rich­tig. Ich beob­ach­te in letz­ter Zeit auch öfter Panik­re­ak­tio­nen, wenn ich mir ein vega­ta­ri­sches Gericht bestel­le. Und dabei bin ich kein Vege­ta­ri­er, son­dern mag nur Fleisch und Milch nicht. Ger­ne wür­de ich den Effekt mal sach­lich hin­ter­fra­gen, aber das scheint ganz und gar undenk­bar zu sein.

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