Eigent­lich woll­te ich nichts zum „Veggie Day“ und ande­rem Unsinn bei­tra­gen. Die­se Dis­kus­sio­nen füh­ren nie zu etwas und het­zen bloß gegen­ein­an­der auf. Argu­men­te wer­den sel­ten aus­ge­tauscht, nur Über­zeu­gun­gen. Und wie das so ist, Über­zeu­gun­gen stin­ken. „Con­fir­ma­ti­on bias“ nennt man es, wenn man Argu­men­te, die für die eige­ne Ein­stel­lung spre­chen, schwe­rer gewich­tet als Kon­tra­stand­punk­te, die nicht wahr­ge­nom­men oder mög­lichst stark rela­ti­viert werden.

Auf­tritt Ulri­ke Gon­der. Sie ist Öko­tropho­lo­gin und Über­set­ze­rin eines Buchs mit dem Titel „Ethisch essen mit Fleisch“. Sie behaup­tet keck „Fleisch gehört dazu“ und führt dabei eine Rei­he von Argu­men­ten ins Feld, um ihre vor­ge­fer­tig­te Mei­nung zu unter­mau­ern. Ihre zen­tra­le The­se ist, dass sich Vega­ner in einer ihrer Annah­men vertun:

Ihre Kal­ku­la­tio­nen zum Ener­gie­ver­brauch, zum Kalo­rien­ein­satz, zu den hun­gern­den Men­schen, basie­ren alle auf der Idee, dass Nutz­tie­re Getrei­de benö­ti­gen und dass man mit die­sem Getrei­de bes­ser Men­schen satt machen sollte.

Dabei wird ver­ges­sen, dass Rin­der, Zie­gen oder Scha­fe Wei­de­tie­re sind, die über Jahr­mil­lio­nen nie in Nah­rungs­kon­kur­renz zum Men­schen stan­den. Im Gegen­teil: Die­se Tie­re essen, was wir Men­schen nicht nut­zen kön­nen – die Zel­lu­lo­se der Grä­ser – und wan­deln sie in für uns hoch­wer­ti­ge Nah­rung um: in Fleisch und Milch, in Eiweiß und Fett.

Gon­der behaup­tet also, Kühe und Co. wür­den nur Gras fres­sen, kein Getrei­de. Ein aben­teu­er­li­cher Unsinn. Völ­lig außer Acht lässt sie außer­dem, dass die­ses Leben Sei­te an Sei­te, sie wür­de es wohl Sym­bio­se nen­nen, Jahr­mil­lio­nen bestimmt funk­tio­niert haben mag. Dar­aus aber den Rück­schluss zu zie­hen, dass die indus­tri­el­le Mas­sen­tier­hal­tung, die kei­ne 150 Jah­re alt ist, kei­ne Aus­wir­kun­gen auf Mensch, Natur und Umwelt habe, ist gro­tesk und viel­fach wider­legt. Tat­säch­lich wer­den für ein Kilo­gramm Fleisch sie­ben Kilo­gramm Getrei­de ver­füt­tert. Eine Men­ge, die aus­rei­chen wür­de, das Welt­hun­ger­pro­blem in den Griff zu bekom­men.

Statt Fak­ten zu beach­ten, fabu­liert die Autorin aber lie­ber über Wei­de­land. Das müs­se näm­lich in Soja­mo­no­kul­tu­ren umfunk­tio­niert wer­den, denn schließ­lich bedeu­ten weni­ger Wei­de­tie­re ja auch mehr Bedarf ein Getrei­de. Die­se Argu­men­ta­ti­ons­ket­te ist, sagen wir: krea­tiv. Sie hilft aber, von Ver­step­pung, Ero­si­on und Ver­sal­zung zu schrei­ben, lau­ter schö­ne Schlag­wor­te, die den gemei­nen Vega­ner als Umwelt­zer­stö­rer und Ein­falts­pin­sel darstellen.

Natür­lich ist sich Gon­der dann im wei­te­ren Ver­lauf des Arti­kels auch nicht zu scha­de, uralte, lan­ge wider­leg­te oder ein­fach lächer­li­che Tot­schlag­ar­gu­men­te her­vor­zu­kra­men („Alles, was lebt, hat­te eine Mut­ter (…), auch Pflan­zen“, der Mensch sei ein Alles­es­ser), das Gan­ze voll­kom­men ohne Zusam­men­hang mit bio­lo­gi­schem Anbau zu ver­mi­schen („Bio­land­bau und Vege­ta­ris­mus schlie­ßen ein­an­der aus“), um end­lich zu schlie­ßen mit dem schnar­chi­gen Bei­spiel von zwei anony­men, aber pro­mi­nen­ten Vega­ne­rin­nen, die krank wur­den und nun wie­der Fleisch essen. Dass die „Pflan­zen­kost“ an der Erkran­kung Schuld war, bedarf selbst­ver­ständ­lich kei­ner wei­te­ren Beweisführung.

Der kom­plet­te Arti­kel der „streit­ba­ren Jour­na­lis­tin“ hat weder Hand noch Fuß. Er zeigt deut­lich, wie sehr sich eine über­zeug­te Fleisch­esse­rin Argu­men­te zurecht­biegt, fälscht und igno­riert, um ihre Ein­stel­lung zu unter­mau­ern. Ich glau­be nicht, dass sich Gon­der jemals ernst­haft mit der Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt hat, ob fleisch­lo­ses oder vega­nes Leben für Mensch, Natur und Umwelt viel­leicht doch posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen haben könnte.

Nach­trag: Wei­ter­ge­hen­de Lese­emp­feh­lung, dan­ke für den Tipp an Sero­to­nicVega­ner scha­den der Welt. Echt jetzt, taz?

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5 Kommentare

  1. Schon bei

    Einer der Denk­feh­ler vie­ler Vege­ta­ri­er ist die Annah­me, die heu­te übli­che agrar­in­dus­tri­el­le Inten­siv­mast sei die ein­zi­ge Möglichkeit, Tie­re zu halten.

    habe ich laut auf­ge­heult. Die For­mu­lie­rung ist der­art schwam­mig, dass man ja noch nicht ein­mal sagen kann, dass sie falsch ist – und den gan­zen Arti­kel dar­auf zu stüt­zen!? Seriös­li­ches Waszumfick!

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