Holger Gertz ist ein Reporter für die Süddeutsche Zeitung und hat in seinem Journalistenleben schon eine Menge Texte verfasst. Nicht wenige davon haben einen sportlichen Bezug. Einige davon wurden jetzt in einem Buch zusammengefasst.1 Es sind Geschichten über das Verlieren, über Niederlagen und Siege, die nicht kommen wollten.
Gertz ist nett, es gibt keine Häme für die Verlierer. Er beobachtet detailliert, er blickt hinter die Fassade, ja, sogar hinter die Fassade dieses ganzen Sportgedöns’, das wir Zuschauer während sportlicher Großereignisse wie den Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften wahrnehmen.
Das Buch erreichte mich pünktlich zur WM 2016. Ich erhoffte mir schöne Texte über die Menschen hinter dem Sport, dem Leistungsdruck, dem sie unterworfen sind und dem schmalen Grat zwischen Held und Loser, auf dem sie tagtäglich wandeln.
Ich bekam stattdessen jede Menge Kolumnen, die auf die Tränendrüse drücken. Die Art, wie Gertz schreibt, ist schön. Sie sticht ganz sicher in einer Zeitung heraus, die sich sonst sachlich mit Themen auseinandersetzt. In einer so geballten Form wie in dem vorliegenden Buch wird der Duktus aber schnell zu viel. Ein Beispiel: Während der Fußball-WM 2006 in Deutschland schloss er sich der angolesischen Nationalmannschaft an – man ahnt schnell, warum.
In Angola ist jetzt Frieden, aber was heißt Frieden nach dreißig Jahren Bürgerkrieg? Man sieht den Fußballern nicht an, welche Geschichten sie erlebt haben (…). Beim Volksfest am Wochenende waren ein paar ältere Angolaner dabei, humpelnde Reporter, verkrüppelte Fans, die in Deutschland leben, und für einen Moment konnte man ein Gefühl dafür kriegen, dass hier nicht ein lässiger Exot wie Trinidad & Tobago bei der Weltmeisterschaft mitspielt, sondern das Team einer traumatisierten Nation. (S. 105)
In dieser Art sind alle Texte verfasst. Ein wiederkehrender Kniff ist das vermeintlich nachdenklich Unterbrechen des Satzes, um ein Wort zu wiederholen, das irgendwann nur noch anstrengend wird:
Kurz nach Nordkorea war er zurück, zurück im Stadion. (S. 100)
Daneben ist das Buch handwerklich ungeschickt. Die Texte stammen aus einer sehr langen Schaffensperiode von Gertz, aber bei keinem ist angemerkt, wann der Text ursprünglich publiziert wurde oder von welchem Ereignis er handelt. Bei sportlichen Großereignissen kann man das meist noch schnell aus dem Kontext heraus erfassen, aber mit welchem Kenntnisstand beispielsweise der mitleidige Text über Boris Becker verfasst wurde, bleibt im Dunkeln. Ein Text über Borussia Dortmund handelt von einer großen Krise und lange Zeit war ich gedanklich im Seuchenjahr 2014, als der BVB gegen den Abstieg kämpfte – bis ich irgendwann eine Preisangabe in D-Mark las.
Das Buch ist keine Fehlinvestition, sollte aber in kleinen Dosen genossen werden. Sportfans freuen sich bestimmt, mal einen anderen Blickwinkel zu lesen. Durch die höchstens zehn Seiten langen Kapitel eignet sich „Das Spiel ist aus“ gut als Klolektüre oder für Bahnpendler.
Offenlegung: Das Buch wurde mir vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gab es keine weiteren Vergütungen oder Vergünstigungen. Ob und wie ich über das Buch schreibe, war mir vollkommen freigestellt.
16,99 € (D) (gebunden), 13,99 € (D) (Kindle, beides Amazon-Partnerlinks). ↩