Um Mitgefühl, Zustimmung oder derartige Gefühle auszudrücken, werden Beiträge in sozialen Netzen und in Blogs gerne mit einem einzelnen Punkt kommentiert. Das ist eine neuere Erscheinung, die sich wohl aus der Daumen-hoch- und Herzchen-vergeb-Möglichkeit ableitet für Situationen, in denen nach oben gereckte Finger oder Liebessymbole nicht geeignet sind.
Es ist aber keine Kommunikation, es drückt in meinen Augen nicht einmal das aus, was es sagen soll. Es macht nur das Leben für den Kommentierenden einfach. Aber was soll der Verfasser davon denken? Da hat jemand was gelesen, ist betroffen, bewegt, berührt und möchte das ausdrücken und es fällt ihm nichts besseres ein als „.“? Da schreibt jemand vom Verlust eines geliebten Menschen und das ganze Mitgefühl drückt sich in einem klitzekleinen Pixelhaufen aus? Es ist zu wenig. Es zeigt, dass man nicht viel Zeit auf eigene Gedanken verschwendete. Gelesen, abgehakt, nächster Beitrag. Das ist das Gegenteil von dem, was der Punktierer mutmaßlich ausdrücken wollte.
Nun ist nicht jeder in einer Punktvergabesituation fähig, ganze deutsche Sätze zu formulieren. Das verstehe ich. Deshalb möchte ich helfen. Wenn du das nächste Mal vor einem leeren Kommentarfeld sitzt, dich irgendwie ausdrücken möchtest und ein Punkt opportun erscheint, dir das aber jetzt zu wenig erscheint, weil doch der Johannes sagte, das wäre viel zu unreflektiert, dann probiere es gerne einmal mit folgenden Ansätzen:
- Bei Beiträgen, die deine Zustimmung finden:
- „Dem stimme ich zu.“
- „Sehe ich ganz genau so!“
- „Absolut richtig, was du da schreibst!“
- Bei bewegenden, persönlichen Beiträgen:
- „Das hat mich bewegt.“
- „Vielen Dank, dass du das mit uns teilst.“
- Bei Beiträgen, die dich tief berührt haben:
- „Das hat mich tief berührt.“
- Bei Beiträgen über den Tod:
- „Mein Mitgefühl.“
- „Mein herzliches Beileid.“
- „Ich fühle mit dir.“
- (Von „R.I.P.“, auch in der ausgeschriebenen Variante, rate ich dringend ab. Es hat so viel Aussagekraft wie ein trockenes Stück Zitronenkuchen.)
Auf gar keinen Fall als Ersatz für einen Punkt gelten alle Kommentare, die mit „ich“ anfangen und im weiteren Verlauf ein „auch“, „schon einmal“ und „erlebt“ beinhalten.
In der Hoffnung auf etwas mehr reflektierte Kommentare verbleibe ich.
Nachtrag: Bitte beachtet auch die Diskussion in den Kommentaren!
Entschuldige, aber für mich sind diese Sätze noch viel schlimmere Nullnummern als der Punkt. Der Punkt heißt: ich könnte höchstens einen dieser Nullsätze dazu sagen, und bevor ich das tue, setze ich lieber einfach einen Punkt.
Der Punkt kommt auch keineswegs aus der Daumen-hoch-und Herzchen-Möglichkeit, sondern ist schon älter, da gabs noch gar keine Sozialen Netzwerke: http://xrays.antville.org/stories/1640854/
Entschuldige bitte, ich wusste nicht mehr, dass du diesen Vorschlag schon 2007 verbreitet hast. Ich hätte meinen Beitrag aber nicht geschrieben, wäre mir nicht die massenhafte Verbreitung erst in den letzten Monaten aufgefallen. Weshalb sofort die Daumen-hoch-Analogie in meinem Kopf aufpoppte.
Ja, die aufgeführten Sätze sind nicht besser, wenn sie nicht so gemeint sind, sie sollen aber auch eher ein Denkanstoß sein. Wie du in deinem damaligen Beitrag schreibst, steht der Punkt unter anderem für „habe (…) nichts Gehaltvolles hinzuzufügen“ und das stört mich einfach. Wenn ich nichts zu sagen habe, dann sag ich doch lieber nichts. Und falls doch, sollte ich mir da nicht Gedanken machen, was ich sagen will?
Oder sehe ich das wirklich so falsch?
Ja.
Genau.
Ebenso.
Word.
Ack.
Full-Ack.
.
Der Punkt ist eine Geste, ein virtuelles Gegenstück zu der Hand auf der Schulter -- die auch ohne Wort auskommt, um gut zu tun. Er zeigt Beistand im Trauerfall, bei Zustimmung ist er ein zugewandtes Nicken, bei Rührung kann er die glasigen Augen, das gerührte Seufzen oder ergriffene die Hand auf dem Herzen sein. Ich liebe den Punkt.
Das ist die schönste und einleuchtendste Erklärung, die ich bisher erhalten habe.
Es gibt Worte, Erzählungen, Gefühlsäußerungen, bei denen ich nur schweigend zuhören will oder kann, aufmerksam und berührt bin, wo mir jede verbale Reaktion schal und wie ein Versuch vorkäme, etwas Zerbrechliches mit Worten zuzudecken.
Körperlich anwesend ist es einfach, dem Anderen iese Reaktion zu vermitteln. Doch wie schweigt man online, ohne dass der/diejenige das Gefühl hat, nur gegen eine Wand geredet zu haben? Ja, der Punkt ist eine Krücke. Aber er kommt diesem zuhörenden Schweigen meiner Meinung nach am nächsten.
Bis vor ein paar Minuten dachte ich noch, irgendwie doch recht zu haben. Über diesen Satz muss ich aber noch einmal nachdenken.
Mir ist der Punkt aus dem IRC und aus MUDs bekannt, wo er bestimmt ein Jahrzehnt vor sozialen Däumchen verwendet wurde. Wie die Menschen vor mir schon schrieben: ein Punkt sagt mehr als tausend Worte. Vor allem, wenn man keine findet.
Ich fände auch mal ganz interessant, wenn eine/einer von denen, die hier gedaumenhocht haben, den Beitrag flattrten etc., mal ihre/seine Sichtweise schildern würde.
Ich sehe ja ein, warum man den Punkt verwendet und ihr alle, die ihr euch gerührt habt, möchte ich auf gar keinen Fall unterstellen, es nicht ernst zu meinen, wenn ihr punktet. Aber ich bin trotzdem immer noch der Meinung, dass es sich viele andere damit zu leicht machen: Mal kurz gepunktet und abgehakt, Mitleid ohne großes Nachdenken ausgedrückt. Das ist zu pauschal, klar, und wahrscheinlich auch situationsabhängig. Aber ich glaube dennoch, und das wurde mir auch auch schon im persönlichen Gespräch bestätigt, dass der Punkt für einige nur ein Äquivalent zu Facebook-Likes und Konsorten ist.
Nochmal: Ich will niemandem unterstellen, dass sie oder er Punkte wie Herzchen vergibt. Sollte ich jemanden mit meinem polarisierenden Geschreibe zu nahe getreten sein, tut es mir leid.
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(scnr)
Das hat mich bewegt.
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