(Da weiß man wieder, wozu man Twitter hat.)
Es ist ja nicht so, dass wir nicht schon öfter lautstärksten Streit von den Nachbarn gehört hätten. Aber stell dir mal vor, du sitzt da, kommst gerade vom Laufen und versuchst, wieder auf Normalpuls zu kommen. Die Nachbarn streiten sich -- mal wieder. Eine halbe Stunde bestimmt. Und auf einmal ein lauter Knall, bei dem man nicht sicher verorten kann, ob er von der Straße oder von der Nachbarwohnung kam. Und auf einmal hat der Streit aufgehört.
Du traust dich nicht, sofort die Polizei zu rufen, obwohl es der erste Impuls ist. Denn du redest dir ein: Alles Quatsch! Da ist schon nichts passiert. Du guckst zu viele Filme.
Aber es bleibt still. Nach etwa 20 Minuten greifst du zum Telefon. Tuut. Tuut. Tuut. Krschlkrschlmpf. „Hallo? Polizei-Notruf.“ (Ja, echt, es hat verdammte drei Mal geklingelt, bevor da einer ran gegangen ist. Und ich hatte das Gefühl, ich störte ihn gerade beim Mittagessen.) Du sagst also brav deinen Namen auf und was du gehört hast und nach weniger als 30 Sekunden bescheidet man dir, jemanden vorbeizuschicken.

Kaum zehn Minuten später -- die Polizeiwache ist zwei Seitenstraßen entfernt, die Kantine hatte aber wahrscheinlich noch offen -- rückten sie mit zwei Streifenwagen an. Eine Polizistin und zwei Polizisten keuchen die Stockwerke hoch, Hand am Halfter. Kurz vor dem letzten Stockwerk erwartest du sie und beantwortest noch dort die ersten Fragen. Während du dir schon ausmalst, wie er oder sie gleich mit der Waffe in der Hand zur Tür hinaus stürmt. Schließlich sollst du in deine Wohnung zurück.
Die Polizisten klingeln und klingeln und klopfen und rufen und niemand macht auf. Du weißt sicher, das sagst du der Polizei auf Nachfrage auch, dass mit sehr großer Wahrscheinlichkeit niemand die Wohnung verlassen hat. Das hört man, auch wenn man es nicht will. Und wir wollten es in den vergangenen 30 Minuten.
Ein Beamter geht auf deinen Balkon und schaut rüber, ob jemand übers Dach abhauen will. Hand am Halfter.
Endlich macht die Nachbarin auf.
Und dann wartest du. Gefühlte Stunden, in denen folgende Gedanken in deinem Kopf herumspuken. (Unvollständige Liste.)
- Sie lebt.
- Lebt er dann noch?
- Hat sie ihn umgebracht oder er sich selbst?
- Trug sie einen Bademantel, weil sie sich gerade das Blut abgewaschen hatte?1
- Werde ich es heute Abend noch schaffen, mich wie verabredet in Köln mit jemanden zu treffen, wenn ich jetzt mit auf die Wache muss, um dort tausende Fragen zu beantworten?
Dann klingelt es, die Personalien werden aufgenommen. „Ist denn alles in Ordnung?“ Ja, alle leben noch. War nur eine Tür.2 Mir fällt ein Stein vom Herzen.
Ich solle ruhig öfter anrufen, sagt der Polizist mit dem Robin-Hood-Bärtchen und den grauen Haaren. Wenn schon niemand umgebracht wird, so könne man doch immerhin illegalen Waffenbesitz auf diese Weise herausfinden.
Vielen Dank auch. Ich frage mich seitdem: Haben Hatten unsere Nachbarn Waffen? War es also lebensförderlich, dass ich mich nach der Katzenrettungsaktion im Sommer mit einer Flasche Wein für die nächtliche Störung entschuldigte? Und was passiert jetzt, nachdem wir ihretwegen die Polizei gerufen hatten?
Was’n Tag.
Was für eine spannende Geschichte am Sonntag Abend. Aber Hut ab, dass du dich getraut hast, Herr und Frau Polizei anzurufen!
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