Nicht nur durch die Erklärung des Wortes „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres, sondern vor allem durch die Lautstärke einiger Politiker vom rechten Rand (CSU) wird derzeit diskutiert, wie man verhindern könne, dass Rumänen, Bulgaren und anderes Pack in Deutschland einwandert. Der letzte Migrationsbericht zeigt: Deutschland ist ein beliebtes Ziel gerade für Bürger aus Ländern, denen es wirtschaftlich nicht ganz so gut geht. Dabei fällt auf, dass mehr als die Hälfte der Migranten aus EU-Staaten kommen. Kunststück, geht ja ziemlich leicht dank der Freiheiten, die Bürgern in der EU gewährt wird.
Eines ist sicher: Das wird sich so bald nicht ändern. Und das soll es auch nicht. Das Konzept Europäische Union ist zumindest in der Idee eine Gemeinschaft. Sie soll funktionieren, wie Deutschland das mit seinen sechzehn Bundesländern praktiziert. Es gibt (wirtschaftlich) stärkere Nationen und es gibt schwächere. Das Ziel einer Gemeinschaft ist nicht, dass sich die Starken gegen Schwachen wehren, sondern dass sie ihnen helfen. Wobei das Konzept Zuwanderung schon eine extreme Form der Hilfe ist, denn schließlich bedeutet sie für die Zuwanderer einen erheblichen Aufwand, der nicht nötig wäre, gäbe es anständig geregelte Ausgleichszahlungen zwischen den Mitgliedsstaaten.
Ausgleichszahlungen funktionieren in der Bundesrepublik ganz gut. Das merkt man vor allem daran, dass sich die sogenannten Geberländer massiv dagegen wehren. Die föderale Struktur Deutschlands bedeutet, dass sich achtzig Millionen Bundesbürger nicht vornehmlich in Baden-Württemberg oder Bayern niederlassen müssen, um sich und ihre Familien ernähren zu können. Durch den Länderfinanzausgleich werden demografische und wirtschaftliche Unterschiede so austariert, dass zumindest in der Theorie jeder Deutsche sich dort niederlassen kann, wo er gerne wohnen würde oder halt zufällig wohnt.1 Diese Vorgehensweise gleicht auch strukturelle Probleme aus, zum Beispiel das der Bremer Exklave Bremerhaven, wo die Stadt Geld in die Infrastruktur des Hafens investiert, damit dort Menschen arbeiten können, die aber außerhalb wohnen und damit in Niedersachsen Steuern zahlen.2
Dieses Konzept des Ausgleichs sollte auch für die komplette EU gelten. Vor allem, weil hier noch ein Punkt hinzukommt: In der Union leben die wirtschaftlich stärkeren Länder zum großen Teil auf Kosten der schwächeren. Um den Fokus wieder auf Deutschland zu lenken: Die Exportnation exportiert zu 57% Güter in EU-Mitgliedsstaaten. Die Bürger dieser Länder bezahlen unsere Löhne und Gehälter also zu einem nicht unerheblichen Teil mit. Wenn sie aber vor lauter Verzweiflung und Joblosigkeit keinen anderen Ausweg mehr finden, als dorthin zu wandern, wo Hoffnung herrscht, dann wollen wir verhindern, dass sie ein klein wenig von ihrem Geld zurückbekommen?
So funktioniert Gemeinschaft definitiv nicht. Und wenn Deutschland nicht das Bayern Europas werden will, sollten wir schleunigst damit aufhören, Bürger aus unserer eigenen Union etwas zu verwehren, was ihnen zustehen sollte. Wenn etwas wie ein finanzieller Ausgleich (siehe dazu auch: Eurobonds) nicht bald Realität wird, werden wir vor ganz anderen Problemen stehen, wovon Zuwanderung sowieso keines ist. Es ist das Gegenteil von Union, wenn jeder Staat weiterhin auf seiner finanziellen Souveränität beharrt und damit auf Kosten anderer lebt.
Dem kann ich nur zustimmen. Langfristiges Ziel sollte es dennoch sein, diese ganze nationalstaatliche Dünkelei abzuschaffen und eine richtige - politische und ideelle - europäische Einheit zu bilden.
Das Konzept »Nationalstaaten« war im 19. Jahrhundert ganz sinnvoll (zumindest für Deutschland, denn so etwas wie »Deutsche« gibt es erst seit der Einheit, vorher gab es nur Hessen, Sachsen, Franken, Bayern, Preussen etc.) hat sich aber in der letzten Hälfte des 20. Jahrhundert selbst überholt, vor allem in Hinblick auf die Globalisierung mit allen ihren Licht- und Schattenseiten.
Richtig, langfristig gedacht ist das ein Ziel, Nationalstaaten anzuschaffen. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt.
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