Ich habe schon immer die Verve bewundert, mit der Menschen in Zügen lautstark und ohne falsche Scham telefonieren. Neulich Abend auf der Pendelheimfahrt hat diese Gattung aber eine neue Schattierung erhalten. Ich freute mich gerade noch, wie ungewöhnlich ruhig es in dem recht vollen Zug ist, da ertönt es in der Reihe hinter mir laut: „Ja! Hallo! Passt es gerade?“
Nein! will ich antworten, und das eine oder andere Schnauben von anderen Fahrgästen verrät mir, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine bin.
„Ja, ich habe gerade Zeit. – Im Zug. – ZUG! – Nein, nur das Übliche.“ An dieser Stelle fiel dann wohl die Frage nach dem Sinn des Anrufs und die Antwort wusste ich schon vorher: „Nur so, habe gerade Zeit.“
Es flogen noch ein paar Wortfetzen durch das Abteil, die ich geflissentlich überhörte, schließlich wollte ich mich ja eigentlich auf mein Buch konzentrieren. Aber nach einer längeren Pause, in der das Gegenüber wohl einen größeren Redeanteil hatte, konnte ich nicht mehr weghören: „Ja, weißt du, über diese Sache, ja, darüber müssen wir auch noch reden. – Ja, genau. Aber das mache ich lieber nicht im Zug“ – und alle denken: Ja! Endlich! Aber sie täuschen sich: „Die Sabine ist ja heute schon wieder um 16 Uhr gegangen. Unmöglich. Darüber müssen wir reden. – Ja, sech-zehn Uhr! – Unmöglich. Aber darüber kann ich jetzt nicht reden. Ich diskutiere sowas nicht gerne im Zug.“
Und von ein paar Reihen weiter hinten schallt es aus zwei Mündern gleichzeitig: „DANN LASSEN SIE ES!“
Ich lachte laut.
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Zuhug!
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Oh, wie sehr ich diese Situation kenne! Und dann wundere ich mich nicht mehr darüber, dass sich so gut wie keiner über NSA und Co. aufregt. Denn schließlich berichtet man jedem unfreiwilligen Zuhörer freiwillig über sein Sexleben, die Pickel, die man am Hintern hat und den Geisteszustand seiner Ehefrau. Bei solchen Gesprächen können einem die armen Spione eigentlich leid tun, die sich den ganzen Krempel anhören müssen, ohne sich mit Ohrenstöpseln oder dergleichen retten zu können.
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