Zum Vorwurf an die Marktforschung gehört der schlimme Satz, man solle keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht habe. Nun, mir ist (dank Rainer Meyer bei Facebook) eine Statistik über den Weg gelaufen, die sicherlich sachlich nicht falsch ist, aber eben auch zeigt, wie man Daten so interpretieren kann, dass man maximale Aufmerksamkeit generiert.
Im vorliegenden Fall geht es um einen Anbieter von IQ-Tests im Internet. Diese selbstauszufüllenden Tests sind natürlich weder gültige IQ-Tests, noch erlauben sie in irgendeiner Form eine Aussage über die Intelligenz des Ausfüllenden – höchstens über den Durchhaltewillen, um ein stetig besseres Ergebnis zu erreichen.
Statistiken biegen
Was der Anbieter Fabulabs in einer aktuellen Pressemitteilung macht, aus der die folgende Grafik stammt, ist in zweierlei Hinsicht manipulativ.
Punkt 1: Die Darstellung der Grafik erreicht durch Verkürzung der Skala auf der Y-Achse, dass die Unterschiedene zwischen AfD-Wählern und dem Rest enorm erscheint. Tatsächlich sind die Unterschiede gar nicht so groß. Vermutlich liegen sie sogar noch in der statistischen Schwankungsbreite.
Punkt 2: Apropos Schwankungsbreite. Es gilt natürlich in der Statistik, dass je mehr Daten vorhanden sind, desto genauer die Ergebnisse werden. Die in der Pressemitteilung genannten 100.000 ausgefüllten Tests sollen vermitteln: Das sind so viele Ergebnisse, wir könnten auf die dritte Nachkommastelle genau benennen, wie klug ein AfD-Wähler ist. Dabei werden zwei Dinge gewissentlich verschwiegen: Zum einen die Problematik Selbstausfüllungstests im Internet (siehe oben).
Repräsentativ ist das alles vermutlich nicht
Zum anderen ist das Ergebnis nicht durch Masse repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Was in der Pressemitteilung nämlich nicht steht: Nach welchen Kriterien wird die Repräsentativität gemessen? Wie wurden die Teilnehmer ausgewählt? Wie groß sind die Teilnehmer der einzelnen Wählergruppen? Das alles wären wichtige Indikatoren, um die Zuverlässigkeit der Daten beurteilen zu können.
Ich vermute, dass es um die statistischen Kenntnisse von Fabulabs allerdings nicht so gut bestellt ist, dass es über eine aufmerksamkeitsheischende Pressemitteilung hinausgeht. Dafür spricht schon das:
Der IQ Test erreicht seit 2015 rund 6.000.000 Teilnehmer. Er diente unter anderem als Grundlage für eine bundesweite IQ-Studie. Die Ergebnisse gelten aufgrund der hohen Grundgesamtheit als repräsentativ.
Grundlegende Statistikkenntnisse fehlen
Die Grundgesamtheit ist die Menge aller zu beobachtenden Elemente. Die kann man nicht mit mehr Daten erhöhen, die ist einfach da. Und – ich wiederhole mich – Repräsentativität wird nicht durch Masse erreicht, sondern durch eine repräsentative (!) Auswahl der Teilnehmenden. Die macht man mit einer Zufallsstichprobe oder wenigstens mit einem Quotenverfahren, das anhand verschiedener Merkmale versucht, die Grundgesamtheit abzubilden. Und Mehrfachteilnahme sollte natürlich auch ausgeschlossen sein. Ich bezweifle stark, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.
Aber, immerhin: Die Überschrift brachte mich zum Klicken, ich schreibe einen ganzen Blogbeitrag über eine kurze Pressemitteilung – der Sinn der Aktion hat sich also schon erfüllt.
Aspekt Interpretation: Karl Lauterbach (SPD) hat die Grafik verbreitet, wohl aus Begeisterung darüber, dass die AfD-Anhänger dümmer sind als die SPD-Anhänger. Ein boshafter Twitterer hat dagegen vermutet, die schlauen Wähler hätten der SPD den Rücken gekehrt und wählten jetzt Die Linke.
Hihihi. Genau sowas war wohl Sinn der Aktion.
Das Vertrauensintervall von diagnostisch eingesetzten Intelligenztests (!) liegt unter kontrollierten Bedingungen (!) bei +-5 Punkten.
Wenn das kontrollierte Bedingungen wären, dann wäre wenigstens mein Vorurteil bestätigt. :D
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