Das Autohaus Krauss war lange Zeit in Nürnberg der VW- und Porsche-Händler. Heute gibt es das Autohaus nicht mehr. Das liegt aber nur begrenzt an mir.
Den Praktikumsplatz hat mir mein damaliger Informatiklehrer vermittelt. Ich war junge 19 Jahre alt und alles, was ich bis dato an Arbeitsleben mitbekommen hatte, hat mich bis heute schwer geprägt. Ich hatte drei Sommerferien in der Fabrik hinter mir (harte, ehrliche, körperliche Arbeit) und drei Monate Praktikum im Landratsamt absolviert (das genaue Gegenteil). Das Autohaus Krauss aber lehrte mich ganz andere Dinge.
Zum Einen wusste ich nach dem Praktikum, dass ich niemals im Leben ein Auto aus dem Hause Volkswagen fahren werde. Zum Anderen habe ich gelernt, wie man seine Zeit möglichst in die Länge zieht. Ich verbrachte nicht weniger als vier Wochen mit nur klitzekleinen Unterbrechungen in einem riesigen dunklen Keller, vollgestellt mit Aktenregalen bis unter die Decke. Das komplette Gebäude war im Untergeschoss ein einziges Archiv, die Regale standen keinen Meter auseinander. In den Fächern standen, nach Jahren und Alphabet sortiert, abertausende Leitz-Ordner.
Ich weiß gar nicht mehr, was ich da alles machen sollte. Wahrscheinlich Dinge heraussuchen, Dinge abheften, Dinge umsortieren. Sehr genau weiß ich aber noch, was ich rund vier der acht Stunden jeden Tag machte. In einer der hinteren Gänge stellte ich mir zwei ausrangierte Stühle zusammen und holte Schlaf nach. Schon nach wenigen Tagen hatte ich es drauf, pünktlich zur Mittagspause aufzuwachen. Meine Arbeit erledigte ich dann danach. In aller Gemütlichkeit.
Zwei Mal kam jemand überraschend im Keller vorbei und weckte mich. Das eine Mal, als es meine Chefin war, wachte ich schnell genug auf, um beschäftigt zu tun. Das andere Mal war es ein Mitarbeiter aus dem Verkauf, der mir nur zuzwinkerte und schnell wieder verschwand.
Das Praktikum an sich war ziemlich unterirdisch. In den meisten Abteilungen fühlte ich mich unwohl. Die Mitarbeiter hatten schon damals viel über Missmanagement gesprochen und Gefühle geäußert, die erst ein paar Jahre später wahr wurden, als das Unternehmen insolvent ging. Die vier Wochen aber, die ich im Archiv verbringen konnte, die gefielen mir. Wahrscheinlich habe ich im Autohaus Krauss gelernt, wie entspannend selbstbestimmtes Arbeiten sein kann.
gibt es das Archiv noch? Ich suche Unterlagen über einen Porsche 356 , der im März 1959 von dem Autohaus Krauss ausgeliefert wurde. Wo ist das Archiv?
Welche Stellen hast du im Text gelesen? Auf jeden Fall weder die Überschrift („Praktikum“), noch den ersten Absatz („Heute gibt es das Autohaus nicht mehr“) offensichtlich.
Kommentarfunktion ist geschlossen.