Es ist ja gerade modern, auf Amazon rumzubashen. Felix hat da gestern was Durchdachtes geschrieben (er durchdenkt ja sowieso Sachen immer sehr schön), das aufzeigt, dass der Erfolg von Amazon nicht nur damit zu tun haben könnte, wie der Konzern seine Mitarbeiter behandelt, sondern auch, wie er seine Kunden ernst nimmt. Dazu passt eine kleine Episode aus jüngster Vergangenheit.
Ich habe mir unlängst das Buch „Ganz oben. Aus dem Leben einer weiblichen Führungskraft“1 einer anonymen Verfasserin bestellt.2 Direkt beim Verlag C.H.Beck. Ich dachte mir, das kann man ja mal machen, soll ja nicht immer der gleiche Versandhandel mein Geld bekommen.
- Donnerstag, 7. Februar: Bestellung. (Ich musste dafür durch einen etwas komplizierten Anmeldeprozess, aber das kann ich dem Verlag nicht negativ anrechnen, das habe ich bei Amazon ja auch mal gemacht. Trotzdem bin ich der Meinung, man sollte Kunden ermöglichen, auch ohne Anlegen eines Kontos Dinge einkaufen zu können. Im Buchladen muss ich ja auch nicht eine solche Prozedur über mich ergehen lassen.) Ich bekomme eine Bestellbestätigung per E-Mail.
- Dienstag, 12. Februar: Ich bekomme eine E-Mail, dass man mein Buch auf den Versandweg gebracht habe.
- Donnerstag, 14. Februar: Das Buch liegt in der Packstation.
- Freitag, 15. Februar: Ich bekomme einen Brief vom Verlag C.H.Beck. Das Buch wäre zurzeit nicht lieferbar.
- Samstag, 16. Februar: Ich bekomme einen Brief vom Verlag C.H.Beck mit der Rechnung.
Ich fasse zusammen: Nach einer Woche war das bestellte Buch in meinen Händen. Ich bekam zwei unsinnige Briefe, die den Absender zusätzliche 1,16 Euro gekostet haben.
Zum Vergleich Amazon: Am Dienstag, 12. Februar, bestellte ich dort eine neue Computermaus und ein Buch. Beides kam zum gleichen Zeitpunkt wie das Beck-Buch an, also am übernächsten Tag. Die Rechnung lag sinnigerweise der Bestellung bei, ansonsten schickte Amazon mir ausschließlich E-Mails.
Es ist natürlich nur ein Beispiel, bestimmt wieder eines von denen, die eine Ausnahme der Regel waren, blabla. Wenn ich aber an Felix‘ Argumentation anknüpfen darf: Ich muss mich schon sehr wundern, wie sich Verlage über Amazon beschweren können, wenn sie es selbst nicht hinbekommen, ihre Kunden zufriedenzustellen. Amazon macht das meisterhaft, zumindest nach vorne einen sehr hübschen Laden darzustellen, dem was am Kunden liegt.
In dem Zusammenhang möchte ich noch eine Frage von Felix beantworten: „hat schonmal jemand was vom schroer-verlag gehört?“ Nein, natürlich nicht. Dessen öffentlicher Amazon-Boykott ist eine ziemlich nette PR-Aktion, aber sie wird gewaltig nach hinten losgehen. Amazon-Chef Jeff Bezos interessiert es kein Stück, ob ein deutscher Miniverlag seine drei Bücher bei ihm vertreibt oder nicht. Aber den Verlag wird es interessieren, dass kein potentieller Kunde seine Bücher bei Amazon findet.
Es gehört zu den unangenehmen Wahrheiten, dass es sich ein Verlag heutzutage nicht leisten kann, auf Amazon zu verzichten. Wem das nicht passt, sollte zuerst am eigenen Kundenservice arbeiten, bevor er seinen größten Vertriebskanal boykottiert.
Meiner Erfahrung nach funktioniert der Versand gerade bei den ganz kleinen Verlagen hervorragend. Bei den größeren, wie Beck, natürlich nicht - das sind ja Verlage, keine Versandhäuser. Die sind vermutlich gar nicht so scharf drauf, dass man direkt bei ihnen bestellt, das gehört einfach nicht zu ihrem Geschäft. Allerdings könnten sie vielleicht mal darüber nachdenken, ob es nicht schlau wäre, das zu ändern.
Jede kleine Buchhandlung kann fast jedes Buch auf den nächsten Tag bestellen. Da muss man dann halt in die Buchhandlung, um es abzuholen, statt auf die Post. Viele Buchhandlungen versenden inzwischen auch schon kostenlos.
Ich wusste, du würdest diesen Beitrag nicht unkommentiert stehen lassen. :)
Wenn ein Verlag keine Lust auf Direktversand hat, ist das ja voll okay. Nur sollte man ihn dann auch nicht anbieten, sondern mit einem Versandhändler gemeinsame Sache machen. Nur mal rein theoretisch: Wenn sich eine Mehrheit deutscher Verlage entschließen würde, ein eigenes Amazon aufzumachen und dort exklusiv ihre Bücher zu vertreiben, dann wäre das ziemlich sicher ein Selbstläufer.
Man begreift das Verhalten der Verlage noch weniger, wenn man bedenkt, dass viele davon zu nicht gerade kleinen Konzernen gehören, auch noch in einem funktionsfähigen Verein organisiert sind und seit Jahren genau merken, was los ist. Mein Mitleid hält sich da in Grenzen.
Genau! Warum nicht selbst einen funktionierenden Versandverbund aufmachen? Das kann doch nicht so schwer sein, Amazon wenigstens in Deutschland Konkurrenz zu machen!
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