Mein fast 84-jähriger Vater hat seit gerau­mer Zeit ein Dumbpho­ne, ein Han­dy aus der grau­en Vor-Smartphone-Ära, des­sen ein­zi­ge Funk­ti­on ist, für den Not­fall bereit zu sein. Alle hal­be Jah­re zahlt er zehn Euro Gut­ha­ben ein, damit er das Han­dy bei Bedarf noch aktiv nut­zen kann. Wür­de er das nicht tun, könn­te er nur noch ange­ru­fen wer­den. So gese­hen liegt ein nicht unbe­trächt­li­cher Teil mei­nes Erbes unver­zinst bei O2, aber dar­um soll es jetzt nicht gehen.

All die Jah­re hat mein Vater sein Prepaid-Guthaben am Bank­au­to­ma­ten auf­ge­la­den. Das ging ganz leicht, der Betrag wur­de direkt vom Kon­to auf das Han­dy­gut­ha­ben gebucht. Der Vor­gang war gelernt, intui­tiv, schnell und zuver­läs­sig. Letz­te Woche jedoch ging das plötz­lich nicht mehr. Sei­ne Haus­bank, die Hypo­Ver­eins­bank, hat die­sen Ser­vice ein­fach ein­ge­stellt. Nach Aus­kunft einer Ange­stell­ten aus man­geln­der Nachfrage.

Nun ist mein Vater eini­ger­ma­ßen ver­zwei­felt. Wie soll er nur sein Han­dy betriebs­be­reit hal­ten? Mein schnel­ler Vor­schlag, ein­fach eine Gut­ha­ben­kar­te im Super­markt zu kau­fen, stößt auf zwei gewich­ti­ge Gegen­ar­gu­men­te: Ers­tens sei das doch viel zu kom­pli­ziert! Er wis­se doch gar nicht, was man da machen soll. Und zwei­tens gibt es die Kar­ten erst ab 15 Euro, er will aber nur jeweils zehn Euro einzahlen.

Also recher­chie­re ich und fin­de her­aus, dass man O2 ein­fach Geld über­wei­sen kann. Was für eine glück­li­che Fügung, denn schon seit vie­len Jah­ren erle­di­ge ich für mei­nen Vater die meis­ten Bank­ge­schäf­te online. Man muss nur eine SMS mit dem Inhalt „Bank“ an die 56656 schi­cken und bekommt prompt eine Nach­richt mit einer IBAN und einem per­sön­li­chen Ver­wen­dungs­zweck zurück.

Nun ist es nicht so ein­fach, jeman­dem per Tele­fon bei­zu­brin­gen, wie man mit einer Zah­len­tas­ta­tur Buch­sta­ben ein­tippt („zwei Mal 2 tip­pen, schnell hin­ter­ein­an­der, ja, schnell!, dann war­ten, dann noch ein­mal die 2, war­ten, zwei Mal 6, war­ten, zwei Mal 5!“), aber beim fünf­ten oder sechs­ten Ver­such klappt es: BANK. 

Die Ant­wort kommt tat­säch­lich ganz schnell. Die Durch­ga­be der IBAN ist aller­dings hin­der­nis­reich, denn die zahl­reich ent­hal­te­nen Nul­len, die mit Quer­strich dar­ge­stellt sind, wer­den vom Rent­ner als Ach­ten inter­pre­tiert. Eine kur­ze Google-Recherche bringt dann die rich­ti­ge Erkennt­nis. Und der Ver­wen­dungs­zweck ist ein­fach, näm­lich die Han­dy­num­mer (die mein Vater nicht kennt, aber dafür ich). Dahin­ter kommt noch eine vier­stel­li­ge Zahl, die die ein­zi­ge nicht veri­fi­zier­ba­re Unbe­kann­te dar­stellt, glück­li­cher­wei­se aber kei­ne 8 oder 0 enthält.

Es scheint geklappt zu haben mit der Über­wei­sung. Und das ist super, denn nun kann mich mein alter Herr alle hal­be Jah­re dar­um bit­ten, zehn Euro an O2 zu spen­den und ich brau­che nur noch zu sagen: „Wird erle­digt!“ Es wäre also jetzt ein per­fek­ter Zeit­punkt, ihm ein Smart­phone aufzudrängen.

viazuerst im Techniktagebuch veröffentlicht
BeitragsbildSumeet Singh (via Unsplash)
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