TTIP dürfte den meisten Menschen mittlerweile ein Begriff sein. Das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU wird vielfach kritisiert und mit wenig Euphorie begleitet. Auch von Franz Kotteder, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, der in seinem Buch „Der große Ausverkauf: Wie die Ideologie des freien Handels unsere Demokratie gefährdet“1 gar nicht erst versucht, Für und Wider abzuwägen.
Nach Ansicht von Kotteder ist TTIP vor allem ein großes Bedrohungsszenario:
Was droht, sind Investor-Staats-Klagen, Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe, die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel und Hormoneinsatz in der Viehzucht, der Umbau der Landwirtschaft hin zu einem weiteren Zweig der Industrie mit immer größeren Betrieben, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, die erneute Entfesselung der Finanzwirtschaft, außerdem Fracking, die Rücknahme von sozialen Errungenschaften, der Verzicht auf das Vorsorgeprinzip und die endgültige Aushöhlung des Datenschutzes.
Zu jedem der genannten Punkte gibt es in dem Buch ausführliche Darstellungen, die sich trotz allem um Ausgewogenheit bemühen. Man erfährt Hintergründe zu den kritischen Punkten, wie und warum sie Eingang in TTIP (und/oder das Dienstleistungsabkommen TiSA) finden und vor allem, was das für die Bürger beider Seiten bedeuten kann.
Es ist gar nicht so, dass die Amis alles schlechter haben als wir Europäer. In manchen Dingen wie der Finanzwirtschaft gelten in den USA härtere Regeln als in der EU. In den allermeisten Fällen sind es jedoch kulturelle Unterschiede, die sich über viele Jahrzehnte manifestiert haben und jetzt mit einem Vertrag plötzlich angeglichen werden sollen.
Der größte und wichtigste Streitpunkt ist die Schiedsgerichtsbarkeit. Durch die sogenannten Investorenschutzklauseln können Unternehmen Staaten verklagen (und nicht andersrum), wenn sie durch Bestimmungen oder Gesetze ihre Investitionen in Gefahr sehen. Das Schiedsgericht besteht aus je einem Vertreter der beiden Parteien und einem „Richter“, der von beiden Seiten bestimmt wird. Es geht um Millionenbeträge an Schadenersatzforderungen, eine Revision ist nicht zugelassen. Kotteder fragt zurecht:
Warum also wollen zwei große demokratische Staatenbünde mit einem recht zuverlässig funktionierenden Rechtssystem eine solche Schiedsgerichtsbarkeit einführen? Warum bremsen sie freiwillig ihre Judikative aus? Warum verzichten sie aus freien Stücken auf die Möglichkeit einer Revision solcher hinter verschlossenen Türen gefällten Urteile?
Das Buch „Der große Ausverkauf“ ist ein guter Startpunkt, um sich mit Informationen zu versorgen. Es ist nicht objektiv, viele Aussagen sind aber immerhin belegt. Alle wesentlichen Punkte – von den geheimen Verhandlungen, über die einzelnen Bestandteile bis hin zu Beispielen anderer Handelsabkommen – werden ausgeführt. Flüssig zu lesen ist es nicht, man muss sich schon Zeit und Willen nehmen, um durchzukommen.
Offenlegung: Mir wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt. Es gab keinerlei Einflussnahme auf meine Rezension oder ihren Inhalt.
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@Johannes Danke dafür. Und, hats was gebracht? :D Sollten wir auch? was ist das überhaupt?
@boydroid Steht doch alles im Artikel! ;)
@Johannes Äh, ich lese nicht erst den Artikel, um deinen Tweet zu verstehen :D
@boydroid An meinem Tweet gibt es nichts zu verstehen. Das ist die Überschrift.
@Johannes Schade :-/ 140 Zeichen hättest du dafür verwenden können mein Interesse zu wecken, zumal es um eine wichtige Sache geht.
@boydroid Aber ich habe doch dein Interesse erfolgreich geweckt. ;D
Gelesen: Der große Ausverkauf http://t.co/2wrA4mMpbq
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