(Es könn­te sein, dass in der Zeit­span­ne Mon­tag bis Don­ners­tag noch irgend­was gesche­hen ist, aber ich habe kei­ne Ahnung mehr, was in mei­nem alten Leben so los war.)

Frei­tag­mor­gens, sehr früh mor­gens, wur­de ich geweckt. Mir wur­de unmiss­ver­ständ­lich klar gemacht, dass das lan­ge War­ten nun end­lich ein Ende hat. Um 8 Uhr waren wir im Kran­ken­haus – nur, um wei­ter­hin zu war­ten. Mehr als 26 Stun­den spä­ter, am Mor­gen des 24. August, war sie dann end­lich da: Klein-Lea.1

Die meis­te Zeit bis dahin ver­brach­te ich damit, sie tot­zu­schla­gen (die Zeit). Im Kreiß­saal gab es nicht ein­mal Internet-Empfang. Ich hat­te bald jedes Eti­kett in dem Raum inspi­ziert und ver­such­te, so gedul­dig wie mög­lich die­se rie­sen­gro­ße Lan­ge­wei­le zu ertra­gen, die nur punk­tu­ell unter­bro­chen wur­de von wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen (die ich gar nicht tref­fen konn­te) und dau­ern­dem Mit­ge­fühl für die Frau, die sich unter Schmer­zen bog, der ich aber nicht wirk­lich hel­fen konn­te. Ich bin so stolz auf sie, wie sie das alles durch­ge­zo­gen hat, wie sie schlimms­te Schmer­zen ertrug und erträgt, wie sie fast Unmensch­li­ches leistete.

Ich wer­de in ein paar Wochen 40 Jah­re alt, ich habe also schon sehr viel über Gebur­ten gele­sen, gese­hen, wir sind über­haupt im gesam­ten Verwandten- und Freun­des­kreis mehr oder weni­ger die Letz­ten, die ein Kind bekom­men haben. Immer wie­der wur­de mir berich­tet, wie sehr sich ein Leben ver­än­dert, wie anders es auf ein­mal ist, wenn dein eige­nes Kind auf die Welt kommt. Jetzt erst ver­ste­he ich, wie wahr das ist.

Johannes hält seine Babytochter im Arm, ihr Gesicht ist der Kamera abgewendet, Johannes lächelt.

Ich hat­te lan­ge ein distan­zier­tes Ver­hält­nis zu dem Ding im Bauch der Frau. Ich habe es auf Ultra­schall­bil­dern gese­hen, ich habe es spä­ter dann auch sich im Bauch bewe­gen sehen, aber es war abs­trakt. Im Kopf war mir klar, was da pas­sier­te und was das für mich und für uns bedeu­te­te. Vie­le Gedan­ken habe ich mir gemacht, was da so kom­men mag, wie schön, wie schwer es wer­den wird. Es schwang aber auch immer mit: Das ist noch weit weg, war­te mal ab!

In dem Moment jedoch, als die­ses Bün­del Mensch das Licht der Welt erblick­te, als es kurz auf­schrie und sofort aktiv wur­de, waren da nur noch Gefüh­le. Kei­ne Ahnung, wie das hor­mo­nell läuft und war­um es so ein­fach geht, aber da, wo vor­her Distanz und Zwei­fel waren, ist jetzt nur noch unbe­ding­te Lie­be für die­sen Schreizwerg. Mei­ne klei­ne Toch­ter ist ganz bestimmt das bes­te Geschöpf der Welt und die­se Mei­nung wer­de ich ganz sicher auch nie­mals mehr ändern.

  1. Auch wenn es den Gag wert gewe­sen wäre, das ist natür­lich nicht ihr rich­ti­ger Name, son­dern war bis zur Geburt der Arbeits­ti­tel und wird ihr Internet-Pseudonym blei­ben.
Vorheriger ArtikelDas Beste aus Twitter und Mastodon, August-Edition
Nächster ArtikelWie gewonnen so zerronnen #FCNFCH

3 Kommentare

  1. Mei­ne klei­ne Toch­ter ist ganz bestimmt das bes­te Geschöpf der Welt …” 

    Klar – unter ganz vielen! :-)

    Noch­mal herz­li­che Glück­wün­sche und viel Freu­de mit- und anein­an­der, Gesund­heit für den neu­en Mini­men­schen in einer hof­fent­lich guten Welt!

  2. […] Wir ler­nen uns ken­nen. Uns wur­de schnell klar, dass man nicht vie­le Wor­te braucht, um sich zu ver­stän­di­gen. Klein-Lea sagt zum Bei­spiel ein lan­ges und deut­li­ches „Naaaaa“, manch­mal auch mit mehr Nach­druck „Naa-naaaa!“, wenn sie uns zu ver­ste­hen geben will, dass wir nun bes­ser alles ste­hen und lie­gen las­sen und in die Füt­te­rung über­ge­hen, denn andern­falls sei sie nicht abge­neigt, die Situa­ti­on eska­lie­ren zu las­sen. Die Eltern ant­wor­ten mit einem gut­mü­ti­gen „jååå“, tat­säch­lich mit dem Krin­gel drauf, weil es so einen mit­lei­di­gen O-Klang hat. […]

Kommentarfunktion ist geschlossen.