Wut entsteht aus Angst.
— Justus Jonas, Die Drei Fragezeichen, Folge 1: „Der Superpapagei“
Ich bin jetzt seit mehr als sieben Jahren Vegetarier und ich habe lange Zeit in einer eher defensiven Haltung verbracht. Ich antworte stets mit einem Lächeln auf die immer gleichen Fragen und beiße mir auf die Lippen, wenn man mich entweder bemitleided oder beschimpft.
In letzter Zeit beobachte ich, wie sich Fleischesser immer mehr in die Defensive gedrängt fühlen. Das ist jedenfalls ein Eindruck, den ich aus den Diskussionen gewinne, die ja zwangsweise immer geführt werden. Der Ton wird schärfer und aggressiver. Und frei nach Justus Jonas muss ich vermuten, dass Fleischessen wohl allmählich einen Stellenwert wie das Rauchen einnehmen wird.
Eine steile These, zugegeben. Es ist aber keine neue Erkenntnis, dass Fleischessen eine große Menge Nachteile hat (beispielhafte Stichworte: Gesundheit, Umwelt, Hungersnöte), die einer weitaus geringeren Anzahl positiver Eigenschaften gegenüberstehen (macht satt). Dass man da ganz tief drinnen ein schlechtes Gewissen bekommt, während man das Steak aufschneidet, ist nicht verwunderlich. Und wenn man sich in der moralisch unterlegenen Position befindet, wird man auch gerne aggressiv.
Ich will hier gar keinen Kleinkrieg anfangen. Das wollte ich nie. Es war mir nur ein Bedürfnis, diese Gedanken auch einmal festzuhalten. Ich finde, wir sind auf einem guten Weg in dieser Gesellschaft, und er muss gar nicht zwangsweise bedeuten, dass wir alle Vegetarier oder Veganer werden. Es würde mir fürs Erste schon reichen, wenn das Thema noch viel stärker diskutiert und die richtigen Schlüsse daraus gezogen würden.
Komischerweise wird bewundert/beglückwünscht, wenn mit dem Rauchen aufgehört hat (auch von Rauchern). Nur nicht, wenn man mit dem Fleisch essen aufgehört hat.
Stimmt. Warum eigentlich nicht?
Ich habe ja die Vermutung, dass das durch die steigende Anzahl Vegetarier bedingt ist. Früher hatte so eine Diskussion ja schon eher Seltenheitswert – heute werden Fleischesser viel häufer mit Menschen konfrontiert, die es ablehnen, Tiere zu essen. Vielleicht fühlen sie sich deshalb schneller gegängelt und reagieren in der Folge aggressiver.
(Es ist ja auch tatsächlich so, dass die guten Argumente auf Seiten der Vegetarier liegen, und Unterlegenheit aus erwachsenen Menschen polemisch-sture Kinder macht.)
Was die Gesamtentwicklung angeht, habe ich aber Sorge: Zwar steigt die Zahl der Vegetarier, auch die Zahl der sich größtenteils fleischlos Ernährenden steigt, doch wird auf der anderen Seite der Fleischkonsum immer exzessiver. Seitdem es auch in Discountern günstiges, praktisch verpacktes und fertig mariniertes Fleisch gibt, ist aus gelegentlichem Grillen ein wahrer Sport geworden, man bekommt ja kaum noch reine Sommerluft zu atmen. Es schießen überall immer mehr Fast-Food-Restaurants aus dem Boden, es gibt aber (soweit ich weiß) immer noch nicht eine einzige vegetarische Kette, und man kann froh sein, wenn die üblichen Verdächtigen (McDonalds, Burger King, Subway) EIN vegetarisches Produkt, das keine Beilage ist, anbieten. Gefühlt frisst dieser Rückschritt den Fortschritt unterm Strich einfach auf.
Ich teile deine Bedenken, bin aber auch ein hoffnungsloser Optimist. In den USA, dem Land der unbegrenzten Fleischberge, gibt es bei McDonald’s eine sehr viel größere Auswahl vegetarischer Gerichte. Das macht mir Hoffnung, denn wir machen doch auch sonst alles, was die Amis machen!?!
Bezüglich Grillen: Ja und nein. Ja, es wird immer häufiger und zu schon absurden Wetterlagen (re: Weihnachtsgrillen) Fleisch auf das Rost geworfen. Aber, zeigt zumindest meine persönliche Beobachtung: Es sind auch immer häufiger fleischlose Alternativen dabei. Grillkäse ist auch bei Steakessern äußerst beliebt und gegrilltes Gemüse fetzt auch ziemlich oft. (Inwiefern das eventuell von meiner Anwesenheit beeinflusst wird, kann ich allerdings nicht sagen.)
Wie ich schon oben
schriebschrobschrub: Es sieht tendenziell gut aus, meiner Meinung nach. Man muss die Moral einfach siegen lassen. Dass man diese jahrhundertealte Traditionen und Konventionen nicht so schnell ändern kann, wie das derzeit beim Zigarettenkonsum klappt, der ja nur wenige Jahrzehnte lang cool war, ist auch klar.Als einer der Verursacher deines Blogeintrags hast du sicher damit gerechnet, dass ich hier auch etwas schreibe. Nein: Ich fühle eher ein aggressives Verhalten verschiedenster vegetarischer und veganer Gruppierungen (Schließlich wurde mir Schläge angedroht sowie wurde ich einmal des Hauses verwiesen in einem vegan geführten JUZ). In einer anderen Facebookdiskussion nannte ich ein Beispiel: Niemals habe ich bisher gelesen, das Männer Frauen überreden wollen, im Stehen zu pinkeln. Genauso verhält es sich für mich bei Vegetariern: Ich kenne keinen Fleischessenden, der unbedingt einen Vegetarier vom Gegenteil überzeugen will. Aber das ist nur meine äusserst subjektive Wahrnehmung.
Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich niemanden überzeugen will, seine Prinzipien zu ändern. Und das möchte ich auch für mich: niemand soll mir seine Lebensweise aufzwingen. Und ich würde mich freuen, wenn man mir EIN EINZIGES SCHLÜSSIGES UNWIDERLEGBARES ARGUMENT für die vegetarische Lebensweise geben kann. Vielleicht hat dann endlich die liebe Seele Ruh ;)!
Habe ich nicht, dennoch freue ich mich natürlich, dass du es trotzdem tust. :)
Wir haben – natürlich – unterschiedliche Sichtweisen. Für mich ist das, was du da schreibst, eine Bestätigung meiner These. Denn, um noch einmal den Zigarettenvergleich herzunehmen: Ich kenne auch keinen Raucher, der Nichtraucher vom Paffen überzeugen will.
Ich kann dir mehrere anbieten: Vegetarier leben nachweislich gesünder und damit länger und zufriedener. Da gibt es zahlreiche Studien zu. Massentierhaltung verursacht erhebliche schädliche Umwelteinflüsse (als Beispiel: Kuhpüpse). Für ein Kilo Fleisch werden sieben Kilo Getreide verbraucht (in Afrika verhungern derweil die Kinder).
Das sind nur die erstbesten Argumente, die mir einfallen. Da du dich aber sowieso nicht überzeugen lassen möchtest, ist es wahrscheinlich eh nur vergebene Liebesmüh, oder? :)
Ach herrlich, hier die Diskussion weiterführen zu können :)!
Dein letzter Satz deckt sich mit meiner Befürchtung: Missionierung. Warum möchtest du mich überzeugen? Allerdings gebe ich zu, dass ich selbst bei schlüssigen Argumenten Schwierigkeiten hätte, auf Fleisch zu verzichten. Es schmeckt mir zu gut :)!
Zu deinen Argumenten: Ökotrophologen sprechen im Allgemeinen vom Vegetarismus, der auch Milch- und Eiprodukte sowie selten Fisch miteinbezieht von der gesündesten Ernährung. Das solche Menschen länger und zufriedener leben ist nicht nur nicht belegbar sondern wie ich finde schlimmste Demagogie...
Massentierhaltung ist eine ökologische Katastrophe, keine Frage. Das ist aber kein Argument für Vegetarismus, sondern für einen stark eingeschränkten Fleischkonsum. Das würde dann auch eine „vernünftige“ Tierhaltung und Schlachtung beinhalten.
Die Menschheit produziert z.Zt. für ca. 19 Milliarden Menschen Nahrung. Das in Afrika Kinder hungern ist also keine Frage des Fleischkonsums sondern der Verteilung. Hier ist das Schlimmste was es gibt die Landwirtschaftssubvention der EU.
Auch hier möchte ich noch einmal betonen: Es geht mir in keinster Weise darum, Menschen von meiner Lebensweise zu bekehren: Ich wehre mich gegen Bekehrungsversuche!
Übrigens eines dieser Totschlagargumente, die ich viel zu oft höre. Was Fleischesser ja kaum wissen: Pures Fleisch ist auch so gut wie geschmacklos. Erst die Würzung macht es zu dem, was man gerne isst. (Das Gleiche gilt auch für Tofu, btw. Was letztlich heißt, dass jemand, der nur wegen des Geschmacks Fleisch isst, sehr gut auf fleischlose Ersatzprodukte ausweichen könnte. Glaub mir, das geht sehr gut, wenn man das unbedingt will.)
Das stimmt nicht. Es gibt zahlreiche Studien, die genau das belegen. Vielleicht reiche ich die nochmal nach, muss eh bald in die Uni-Bibliothek.
Ganz ehrlich, wenn das funktionieren würde, ich würde sofort schweigen. Wenn die eingeschweißte Supermarktwurst verschwindet, die Wurst wegfällt, die un-be-dingt in die Erbsensuppe muss, das Essen, das ohne Fleisch nicht „komplett“ ist, nicht mehr in den Köpfen existiert, dann wäre ein großer Schritt getan. Ich sehe da aber keine Bewegung, siehe auch serotonics Kommentar. Wir können eher froh sein, wenn es nicht noch krasser wird.
Naja, und da kommt jetzt halt auch die Moral ins Spiel. Als jemand, der Tiere und ihr Leben achtet, kann ich einfach weder den Begriff „Tierhaltung“ akzeptieren, denn Tiere haben frei zu sein, noch kann ich mich damit abfinden, dass sie geschlachtet werden sollen, ob „vernünftig“ oder nicht. Jedes Lebewesen hat schließlich das Recht auf Leben.
Richtig. Aber anderes Thema. Von mir aus könnten wir aber die frei werdenden 86 Prozent Getreide auch für Biosprit verwenden.
Ist dein gutes Recht. Ich bekehre nur auf Wunsch, kann aber nicht anders, als von Zeit zu Zeit festzustellen, dass ich recht habe. ;)
Zu deinem letzten Satz: Da geht es mir genauso ;)!
Zu Eins: Das ist kein Totschlagsargument. Ob der Geschmack von Würze oder vom Fleisch kommt ist mir herzlich schnuppe, wobei ich und so gut wie jeder Koch/Restaurantchef dir herzlich widersprechen wird :)!
Zu Zwei: Sei mir nicht böse aber ich finde das ganz ganz schlimm demagogisch. Wer behauptet Zufriedenheit ist meßbar begibt sich auf ganz dünnes Eis. Wobei ich die längere Lebenszeit VIELLEICHT noch unterschreibe, da Vegetarier zweifellos gesünder leben als exzessive Fleischesser. Die am längsten lebende Volksgruppe sind die Japaner, die jedoch keine Vegetarier sind sondern sich am nächsten an das von mir schon genannte Ideal ernähren.
Ich habe “ „vernünftige“ Tierhaltung“ schon extra in Anführungszeichen gesetzt, da das schon ein wenig grenzwertig ist. Mir geht es in solchen Argumenten auch eher um die Konsequenz des Denkens eines Vegetariers und vorallem Veganers. MbM ist das ich keinen Unterschied in „Leben“ mache: Ob Tier oder Pflanze ist mir egal. Und du erinnerst dich an die Facebook-Diskussion? Mein Argument ist : Essen bedeutet Töten. Da gibt es kein Wenn und Aber! Wie viele Veganer sagen: „Ich esse nichts was eine Seele hat“. Das ist eine Selbstlüge! Das will keiner zugeben und das macht mich wild. Das ist so ein Gutmenschentum...
Zu deinem letzten Satz noch einmal: Du schreibst du bekehrst nur auf Wunsch, schreibst jedoch in deiner ersten Antwort, dass ich mich ja eh nicht überzeugen lasse. Damit entlarvst du dich leider. Und wollen wir das nicht unerwähnt lassen: Ich REagiere im Wortsinne. Mein Handeln hier und auch bei der Facebookdiskussion ist eine REaktion auf die AKTION zweier vegetarisch lebender Menschen, die für ihr Leben werben!
Markus:
Ich frage lieber nach, bevor wieder ein Geschmäckle entsteht ;): Wenn ich das richtig verstanden habe, setzt du den Versuch, dich von Argumenten zu überzeugen, mit dem Bekehren zu einer Lebensweise gleich? Weil, man kann ja auch ein Argument annehmen, und sich trotzdem für eine andere Lebensweise entscheiden. Imho sind das 2 völlig unterschiedliche Ansätze.
Johannes:
Das ist der Punkt, der mich am allerwahnsinnigsten macht: Ich bitte den Mann, mir eine Suppe o.ä. mitzubringen, weil ich krank bin und ausnahmsweise mal nicht selber kochen möchte. Der Mann bringt Möhrensuppe im Schlauch, ich lese das Etikett: 5% Bauchspeck. MÖHRENSUPPE, Herrgottnochmal. (Ich glaube tatsächlich auch, dass diese Nachkriegsdenke, dass ein Essen ohne Fleisch nicht komplett ist, der Knackpunkt ist.)
@Markus:
Auf diesem dünnen Eis steht eine ganze Branche, in der ich auch zufälligerweise mein Geld verdiene.
Siehste.
Naja, irgendwie hast du ja auch nach Argumenten verlangt:
Aber ich behaupte gar nicht, nicht überzeugen zu wollen. Ich bin von meiner Lebensweise sachlich und moralisch überzeugt. Von dieser Überzeugung gebe ich gerne ab. Wenn sich allerdings jemand das nicht anhören möchte, sage ich auch nichts.
@Sero:
Du meintest Knackwurst, oder?
hallo
wollte nur kurz noch anmrken dass vegetarier genauso daran schuld sind dass tiere getötet und gehalten werden
wenn man also statt fleisch käse ist als gäbs kein morgen mehr ist man genauso schuld an dem ganzen system
der einzige weg in eine bessere zukunft für mensche und tier ist der verzicht auf tierprodukte
beziehungsweise eine starke reduktion
lg
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