Als ich in die Wohnung kam von diesem Paar, deren Katze aus Versehen schwanger geworden war, hüpften einige kleine Kätzchen wild auf dem Kratzbaum rum, während ihre Mutter sie kritisch beäugte. Nur eine wollte da nicht mitmachen. Sie saß nebenan im Wohnzimmer, mitten im Raum, ganz herrschaftlich mit ihren großen Augen und machte einmal kurz „Miau“. Da war es um mich geschehen. Es war mir in dieser Sekunde klar: Das ist die Katze, mit der wir nach Hause gehen werden. „Nein, nicht ausgerechnet sie!“, rief die Dame des Hauses noch, aber man konnte mich nicht mehr umstimmen.
Keine Sekunde lang fremdelte Marie mit uns. Schon im Auto zeigte sie das Verhalten, das ihr ganzes Leben lang Ausdruck ihrer Zuneigung sein würde: Sie leckte mir die Nase ab.
Marie holten wir, um der alten Jenny eine Gefährtin zu geben. Wir hofften, dass die einsame Katze dem jungen Neuankömmling eine Art Mutter sein wird, dass sie sich gegenseitig Gesellschaft leisten können, während sie tagsüber alleine in der Wohnung sind. Es klappte. Erst recht, als wir aus unterschiedlichen Gründen noch einmal zwei Kater dazu bekamen, Harry und Burschi. Die Damen bildeten eine enge Gemeinschaft gegen die wilden Jungs.
Marie wurde bald zur „Miez“, es passte einfach zu ihr, wie sie schüchtern ab und zu aufbegehrte, sich aber ansonsten im Hintergrund hielt. Fremde Menschen ließ sie kaum an sich ran; wenn Besuch kam, versteckte sie sich im letzten Winkel der Wohnung, bis er wieder weg war. Nur zwischen ihr und mir gab es ein enges Band. Sie war „meine Miez“.
Als Marie zwei Jahre alt war, starb Jenny. Auf einmal war es die kleine Katze gegen die männliche Übermacht. Es waren keine schönen Jahre für sie. Erst, als das Findelkind Harry wieder weg war, blühte sie auf.
Sie blühte richtig auf. In einem Zwei-Katzen-Haushalt beanspruchte sie mit Vehemenz ihre Hälfte der Aufmerksamkeit und bei zwei Menschen war schließlich immer einer da, der sich um sie kümmern konnte. Sie war jetzt nicht mehr „meine Miez“, leckte auch Kathrin die Nase ab. Ich freute mich über diese Entwicklung. Wenn wir abends auf dem Sofa lagen, da hatte jeder von uns beiden jeweils eine Katze auf seinen Beinen.
In den letzten Monaten baute Marie merklich ab, sie verlor gut die Hälfte ihres sowieso schmächtigen Gewichts. Ihr chronischer Schnupfen, der sie seit Jahren plagte, wurde jedes Mal schlimmer. Zwei Mal sagte sie der Tierarzt schon tot, zwei Mal bewies sie uns mit aller Kraft das Gegenteil. Uns war klar, dass wir nicht mehr viel Zeit gemeinsam verbringen können, aber wie will man erkennen, wie viel Zeit genau noch bleiben wird?
Marie schlief wohl friedlich ein, während wir uns auf Kreta die Sonne auf den Bauch scheinen ließen. Ob wir in den Urlaub fahren sollten, fragten wir uns in den Wochen vorher. Was, wenn ausgerechnet dann …? Aber sie wirkte so fit und es waren doch nur acht Tage. Am fünften davon kam der schreckliche Anruf unserer Katzensitterin.
Marie begleitete mich über fünfzehn Jahre, seit ich 21 Jahre alt war. An den meisten Abenden wartete sie vor der Badezimmertür, damit wir noch einmal vor dem Schlafengehen kuscheln können, damit sie mir noch einmal die Nase ablecken kann. Gestern Abend war sie nicht mehr da. Sie fehlt mir so.
Heartbroken.
Farewell, kleine Miez.
(( ))
Furchtbar. Fühl‘ Dich gedrückt.
:-(
[…] Schlimmstes Ereignis? — Der Verlust von Marie. […]
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